Den Lieblingssong von Bob Dylan zu benennen, ist ein schier unmögliches Unterfangen. Bevor man noch den ersten genannt hat, schwirren im Kopf schon die Gegenkandidaten herum. Natürlich werden unreflektiert sofort die bekannten Klassiker wie "Blowin' In The Wind", "Mr. Tambourine Man" oder "It Ain't Me Babe" erwähnt. Doch der Fundus des Künstlers ist so groß, dass es ungerecht wäre, nicht tiefer zu graben. Und viele seiner schönsten Songs wird er live nicht spielen, wenn er dieser Tage in Österreich wieder Station macht.
Beginnen wir die Zusammenstellung mit ein wenig Ironie. Starten wir die Liste der schönsten Songs des Literaturnobelpreisträgers mit einem instrumentalen Stück.
"Wigwam" aus dem Album "Self Portrait" (1970)
In den 70iger Jahren häufig als Hintergrundsmusik bei Sportbeiträgen eingesetzt, hat der Song bis heute seinen Reiz nicht verloren. Dank des Einsatzes in Wes Andersons Film "The Royal Tenenbaums" wurde der Song wiederentdeckt. Auch ohne Worte, Gesang und Mundharmonika ein echter Dylan.
"Going Going Gone" aus dem Album "Planet Waves" (1974)
Die letzte Studiozusammenarbeit von Dylan mit The Band war von Zwistigkeiten geprägt. Die Platte war die erste, die nicht bei Columbia erschien, und die Songs werden noch heute gerne unterschätzt. Diese Version von "Going Going Gone stammt aus dem Jahre 1976.
"Changing of the Guards" aus dem Album "Street Legal" (1978)
Die Zeit der Veränderung war gekommen - und Dylan schafft ein letztes epochales Werk in den zu Ende gehenden 70iger Jahren, bevor er sich seiner christlichen Phase zuwendet. Live hat Dylan den Song seit 1978 nicht mehr gespielt.
"Desolation Row" aus dem Album "Highway 61 Revisited" (1965)
Einstein trifft auf Casanova, Romeo und Ophelia. Auf der "Straße der Trostlosigkeit" ist alles möglich. Der Poet Dylan verarbeitet dabei aber keine lieblichen Ereignisse, sondern Mord und Lynchjustiz.
"Lay Lady Lay" aus dem Album "Nashville Skyline" (1969)
Dylan goes Country. Am Album die Liner-Notes von Johnny Cash, doch für die Dylan-Fans ein weiterer Sündenfall. Dylan kümmerte es wenig - und er behielt Recht.
"I and I" aus dem Album "Infidels" (1983)
Auch nach seiner christlichen Phase bleibt Dylan im Bibel-Modus. Produziert wurde die Platte von Mark Knopfler (Dire Straits), an der Gitarre Mick Taylor (der erste, der es laut Mick Jagger wagte, die Rolling Stones lebendig zu verlassen).
"Series of Dreams" aus der Zusammenstellung "The Bootleg Series, Vol 1-3: Rare & Unreleased 1961-1991" (1991)
Der von Daniel Lanois urspünglich für das "Oh Mercy"-Album produzierte Song fand bei Dylan keinen Anklang. Produzent und Künstler waren sich über die Ausrichtung nicht einig. Wenige Jahre später erschien er - überarbeitet - in der ersten Ausgabe der "Bootleg Series".
"You're A Big Girl Now" aus dem Album "Blood On The Tracks" (1975)
Für Kritiker ist "Blood On The Tracks" das beste Album, das Dylan jemals gemacht hat. Viele Songs daraus sind dem breiten Publikum allerdings bis heute nicht bekannt.
"Hurricane" aus dem Album "Desire" (1976)
Der Fall des unschuldig in Haft sitzenden Rubin "Hurricane" Carter hat Dylan veranlasst, Jacques Levy, mit dem er etliche Songs des Albums "Desire" schrieb, zur Komposition des Songs zu bewegen. Die damalige Initiative hatte keinen Erfolg, der Song bleibt nicht nur durch das Thema, sondern auch durch die Violine von Scarlet Rivera ein Meilenstein in Dylans Schaffen.
"Tight Connection To My Heart" aus dem Album "Empire Burlesque" (1985)
"Empire Burlesque" war eine Platte gefüllt mit Filmzitaten; in diesem Song etwa aus "Der Malteser Falke" mit Humphrey Bogart. Der Song selbst war ursprünglich für das Vorgänger-Album "Infidels" geplant, und wurde von Dylan mehrmals überarbeitet. Geblieben ist auch nicht der Originaltitel "Someone's Got a Hold of My Heart". Der Reggae-Part stammt von Sly & Robbie.
"Billy 4" aus dem Album "Pat Garrett & Billy The Kid" (1973)
Die Arbeit an der Filmmusik des Westerns von Sam Peckinpah erwies sich als nicht einfach. Für Dylan war das Projekt in erster Linie die Möglichkeit, in die Welt des Films einzutauchen, um wenige Jahre später selbst als Regisseur sein Projekt "Renaldo & Clara" zu drehen. Die Musik entstand mit Zeitverzögerung. Die Produzenten wollten deshalb sogar James Coburn den Titelsong singen lassen.
"Like A Rolling Stone" aus dem Album "Highway 61 Revisited" (1965)
Ein Song wie ein Schlagbohrhammer. Über sechs Minuten dauert die Abrechnung. Dylan wurde mit diesem Song endgültig zum Rockstar. Für das Magazin "Rolling Stone" die Nummer eins in ihrer Liste der 500 besten Songs aller Zeiten.