Sie ist kurz, neu und billig: die Single. Noch bevor ein Album das Licht der Welt erblickt, gibt es vorab einen ganz besonderen Song, der als überaus hitverdächtig gilt und daher auf einen extra Tonträger gepresst wird. Oder vielmehr wurde. Denn seit auch die Single nicht mehr ausschließlich an ein physisches Objekt gebunden ist, kommen Singleauskoppelungen mittlerweile ganz allein daher, ohne einer zweiten Seite, ohne einen zweiten Song: Die ursprüngliche Idee, Songs einzeln zu verkaufen, hat sich mit den MP3-Downloads durchgesetzt.

Die Single von heute wird also ihrem Namen gerecht. Sie besteht aus einem Song. Das Paradoxe in der Geschichte der Musikindustrie: Während die Singles heute die Alben ablösen, gab es in den 1980er Jahren den entgegengesetzten Trend: Longplayer lösten zunehmend die Singles ab - das jahrzehntelang dominante Medium fand sich zunehmend auf dem Abstellgleis wieder. Und in Massen als Ramschware auf Flohmärkten.
Aus sieben wurden drei
Die Single galt als Auslaufmodell. Wiederbelebungsversuche der Musikindustrie sollten der Idee daher neues Leben einhauchen. Und siehe da, sie schrumpfte und aus 7inches wurden 3: Die CD-Single war geboren. Sie sollte gemeinsam mit ihrer großen Schwester das Vinylersetzen und den Absatzmärkten der Musikindustrie neues Leben einhauchen. Als erste CD-Single wird "Brothers in Arms" von den Dire Straits genannt, erschienen im Oktober 1985. Zwei Jahre später wurden die ersten kleinen Silberscheiben an Radiostationen versandt, zu den ersten Promo-Stücken zählen Fleetwood Mac's "Little Lies" oder Steve Wonders "Skeletons".
Um das neue Format zu promoten, gab es neben den herkömmlichen Singleauskoppelungen auch haufenweise Reissues von Hits, Alternativversionen, Remixe oder bis dahin unveröffentlichte Songs. Vergebens. Die Musikindustrie konnte mit der CD-Single das Ruder nicht mehr herumreißen, die Konsumenten sprangen nicht drauf an, sie kauften lieber Alben, bevorzugt auf CDs. Rund 40 Jahre nach der ersten Vinyl-Single war auch der Hype um die Silberling-Single vorbei. Überlebt hat das Format dennoch, sowohl auf Vinyl als auch auf CD.
Auch heute noch werden trotz MP3-Downloads neue Songs auf Scheiben verewigt (die meisten CD-Player haben nach wie vor einen Einsatz für die wesentlich kleineren Single-CDs), alte Lieder werden neu gepresst oder als begehrtes Sammelobjekt teuer verkauft.
Für viele MusikerInnen wiederum bedeutet die kleine CD vor allem eine günstige Möglichkeit, Musik zu veröffentlichen, beide Single-Formate sind heute überwiegend im Alternative-Bereich interessant. Ein Beispiel von vielen: Der französische Klang-Künstler Frédéric Nogray etwa hat die Single-CD als Format auserkoren,seine Field-Recordings zu vertreiben.Aufgenommen 2012 an der Nordküste von Honduras, gibt Wuritagu, erschienen 2014 bei Taâlem, die Sounds rund um den Schwarzen See, zwischen La Ensenada and Triunfo De La Cruz gelegen, wieder. Die Aufnahmen wurden am Tag und in der Nacht gemacht, und verzaubern mit einer Vielfalt an Klängen, die Nogray später bearbeitete, schnitt, wieder zusammensetzte oder übereinander schichtete. Er scheute nicht davor zurück, das Meeresrauschen oder die Vögel- und Insektengesänge mit Flugzeuglärm kollidieren und in heftige Donnerklänge münden zu lassen. Wuritagu ist wie ein Gemälde, das aus vielen Schichten besteht, der Tonträger ist noch dazu bedruckt mit einem Bildaus der Serie "andara painting", ebenfalls von Nogray.
Dem Phänomen der Picture-Disc widmen wir uns nächste Woche.