
Um 32 Prozent ist die Zahl der Austritte aus der römisch-katholischen Kirche in Österreich gesunken. Kehrte 2010 eine Rekordzahl von 85.960 Personen der größten Glaubensgemeinschaft im Lande den Rücken, so machten 2011 "nur" 58.603 Personen ihrer Mitgliedschaft ein Ende. Eine positive Entwicklung oder doch nur ein abgeschwächter deutlich negativer Trend für die Kirche?
Beide Sichtweisen sind möglich, denn aus Statistiken lässt sich bekanntlich fast alles herauslesen, wenn man nur will. "Ich traue keiner Statistik, die ich nicht selbst gefälscht habe." Dieser Satz wird ebenso dem britischen Staatsmann Winston Churchill zugeschrieben wie die Aussage: "Es gibt Lügner, gottverdammte Lügner, und es gibt Statistiker."
Gegen derartige Polemik sollte man die Statistik in Schutz nehmen. Ihr erstes Ziel ist ja nicht die Täuschung, sondern das nüchterne Erheben von Zahlen. Dass dabei gerne manipuliert wird, steht auf einem anderen Blatt. Wenn man zum Beispiel die Personenkreise, die in die Arbeitslosenstatistik einbezogen werden, oder den Warenkorb für den Verbraucherpreisindex verändert, werden Zahlenvergleiche unseriös. Meist sind Statistiken erst dann sinnvoll, wenn sie über einen längeren Zeitraum erfolgen und die gleichen Objekte (nicht einmal Äpfel und einmal Birnen) betreffen.
Auf die katholische Kirche bezogen steht fest: Sie verliert eindeutig seit Jahrzehnten an Mitgliedern, mögen es in einem Jahr mehr, in einem anderen etwas weniger sein. 2003 (damals gab es 39.584 Austritte) zählte man in Österreich noch 5,75 Millionen Katholiken, Ende 2011 nur noch 5,41 Millionen. Einfluss auf diese Entwicklung haben neben Kirchenaustritten und Wiedereintritten (diese lagen in den letzten drei Jahren relativ stabil zwischen 4300 und 4700 Personen) natürlich auch Taufen und Sterbefälle sowie Personen, die Österreich verlassen haben oder neu zugezogen sind.
Man wird nicht ganz falsch liegen, wenn man hohe Kirchenaustrittsraten in bestimmten Jahren auf aktuelle Skandale oder Konflikte zurückführt. So gesehen haben der Kirche 2010 die Missbrauchsfälle im eigenen Umfeld sicher viel mehr geschadet als 2011 die Pfarrerinitiative mit ihrem "Aufruf zum Ungehorsam", der immerhin eine gewisse Lebendigkeit in der Kirche signalisiert.
Als die SPÖ unter Bruno Kreisky von Erfolg zu Erfolg eilte, sprach man vom "Genossen Trend". Nun, der Trend ist kein Genosse mehr, aber auch keineswegs ein Kirchgänger. Die kirchliche Statistik zeigt nämlich auch deutlich den Rückgang beim Messbesuch auf: 2003 zählte man am Christkönigssonntag noch 881.279 Gottesdienstteilnehmer, 2010 nur mehr 694.697. Dass es weniger Taufen, Erstkommunionen und Firmungen gibt, hängt auch mit der demografischen Entwicklung der schwachen Geburtenjahrgänge zusammen. Vergleichsweise sind die Zahlen der kirchlichen Trauungen (jährlich über 12.000) und der Personen, die auf die Sakramente Erstkommunion und Firmung vorbereiten, erstaunlich stabil.