Dr. Heiner Boberski ist Redakteur der "Wiener Zeitung" un dmehrfacher Buchautor.
Dr. Heiner Boberski ist Redakteur der "Wiener Zeitung" un dmehrfacher Buchautor.

Ein 26-Jähriger, der in einer eingetragenen gleichgeschlechtlichen Partnerschaft lebt, sorgt in Österreichs römisch-katholischer Kirche für Diskussionen. Denn der junge Mann hat in seiner Heimatgemeinde in Niederösterreich für den Pfarrgemeinderat (PGR) kandidiert und ist mit großer Stimmenmehrheit gewählt worden. Seine sexuelle Orientierung soll dabei weithin bekannt gewesen sein, allerdings nicht dem Pfarrer, der gegen diese Wahl Einspruch erhebt. Der Wiener Erzbischof, Kardinal Christoph Schönborn, hat sich nun mit dem 26-Jährigen und dessen Lebensgefährten getroffen und will eine Lösung finden, die der Würde aller Beteiligten und den kirchlichen Regelungen gerecht werden soll.

Der Fall ist ein anschauliches Beispiel dafür, wie schwer sich die katholische Kirche - wie vor gar nicht allzu langer Zeit die gesamte Gesellschaft - mit Homosexualität im Besonderen, aber auch mit Sexualität im Allgemeinen tut. In der evangelischen Kirche neigt man heute zu einer liberaleren Haltung, was auch dort vielen nicht leichtfällt, weil die Bibel, "der papierene Papst" dieser Kirche, Homosexualität deutlich ächtet, allerdings auf dem Wissensstand einer Zeit, die Jahrtausende zurückliegt. Heute gilt die Neigung zu einem gleichgeschlechtlichen Partner als Veranlagung, die man sich nicht aussucht und die daher auch nicht als Sünde zu werten ist. Eine andere Frage ist, wie man Neigungen auslebt - so kann zum Beispiel absolut nicht toleriert werden, wenn Pädophile (die von Homosexuellen deutlich zu unterscheiden sind) sexuellen Kindesmissbrauch mit ihrer Neigung rechtfertigen.

Das Problem des PGR-Kandidaten besteht offensichtlich darin, dass er seine Beziehung offiziell gemacht hat, also Wert auf Treue und Ordnung legt. Denn damit hat er sich angreifbar gemacht, steht gleichsam mit seiner sexuellen Orientierung in der Auslage und für konservative Christen als "öffentlicher Sünder" da. Aber ziemt es sich in einem solchen Fall, wirklich Steine zu werfen? Stehen viele andere Menschen, die Ämter und Funktionen in der Kirche haben, im Vergleich mit dem 26-jährigen Niederösterreicher nicht eher als Sünder da? Ist die im kirchlichen Umfeld weit verbreitete Heuchelei im Umgang mit sexuellen Beziehungen nicht der wahre Skandal?

Aus der Geschichte, aber auch aus der jüngsten Vergangenheit kennen wir zahllose Beispiele von katholischen Geistlichen, die Kinder missbraucht haben, aber ihr Amt behalten durften, obwohl ihre Vorgesetzten Bescheid wussten. Nicht selten war es ihnen weiter möglich, an Kinder und Jugendliche heranzukommen und weitere seelische und körperliche Wunden zu verursachen.