Dr. Heiner Boberski ist Redakteur der "Wiener Zeitung" und mehrfacher Buchautor.
Dr. Heiner Boberski ist Redakteur der "Wiener Zeitung" und mehrfacher Buchautor.

"Mut zeiget auch der Mameluck, Gehorsam ist des Christen Schmuck." Der Satz aus Friedrich Schillers Ballade "Der Kampf mit dem Drachen" ist symptomatisch für ein lange Zeit dominierendes Denken in den höheren Kreisen der katholischen Kirche. Was nicht von oben angeordnet oder zumindest abgesegnet ist, sollte nicht geschehen. Das fördert nicht unbedingt Aktivität und Eigenverantwortung der Katholiken, sondern lässt sie zunächst einmal schauen, wie sich die Bischöfe in einer heiklen Situation verhalten. Im Umgang mit Diktaturen waren, wie sich gezeigt hat, anpassungsfähige Oberhirten und ihre Gefolgsleute meist auf der sicheren Seite, während jene, die mehr ihrem Gewissen als dem Vorbild der Kirchenführer gehorsam handelten, Verfolgung, Folter und Hinrichtung riskierten.

Das Zweite Vatikanische Konzil - das 50-Jahr-Jubiläum seiner Eröffnung wird heuer im Herbst gefeiert werden - definierte in der Pastoralkonstitution "Gaudium et spes" (Freude und Hoffnung) das Gewissen als "verborgenste Mitte" und "Heiligtum im Menschen", letztlich als Stimme Gottes und Gesetz, dem der Mensch gehorchen müsse. Laut katholischer Lehre muss sich ein "gebildetes Gewissen" natürlich am kirchlichen Lehramt orientieren, das heißt aber nicht, dass der Einzelne nicht zu anderen Schlüssen kommen darf, wenn er ehrlich davon überzeugt ist.

Kritisch wird es freilich, wenn eine ganze Gruppe einen "Aufruf zum Ungehorsam" startet, wie es im Vorjahr in Österreich geschehen ist. Mit dem bewusst gewählten Reizwort "Ungehorsam" haben die Initiatoren nicht nur die lokalen Kirchenoberen, sondern sogar die Zentrale in Rom aufgescheucht. Wurden andere kritische Aufrufe, etwa von kleineren oder größeren Theologengruppen, eher ignoriert - allenfalls verweigerte man den Unterzeichnern die Beförderung auf einen Lehrstuhl -, so nahm nun zum österreichischen "Ungehorsam" Papst Benedikt XVI. höchstpersönlich Stellung. Just am Gründonnerstag, in einem der wichtigsten Gottesdienste des Jahres, fragte er in seiner Predigt rhetorisch: "Ist Ungehorsam wirklich ein Weg?"

Aus Sicht des Papstes ist er natürlich kein Weg, vor allem nicht ein Ungehorsam, der sich über "endgültige Entscheidungen des kirchlichen Lehramtes hinwegsetzen soll wie zum Beispiel in der Frage der Frauenordination, zu der der selige Papst Johannes Paul II. in unwiderruflicher Weise erklärt hat, dass die Kirche dazu keine Vollmacht vom Herrn erhalten hat". Auf der anderen Seite gesteht er den Autoren des Aufrufs zu, "dass sie die Sorge um die Kirche umtreibt; dass sie überzeugt sind, der Trägheit der Institutionen mit drastischen Mitteln begegnen zu müssen, um neue Wege zu öffnen - die Kirche wieder auf die Höhe des Heute zu bringen".