Benedikt XVI. habe gar nicht aus den offiziell genannten gesundheitlichen Gründen auf sein Amt verzichtet, sondern aufgrund der "Vatileaks"-Affäre um gestohlene Dokumente, Sex und Korruption im Vatikan. Die gewöhnlich gut informierte römische Tageszeitung "La Repubblica" will wissen, dass der Papst am 17. Dezember 2012 die Entscheidung zum Rücktritt getroffen habe. An diesem Tag sei ihm von drei Kardinälen ein fast 300 Seiten starker Geheimbericht zu der Affäre übergeben worden, der dem Pontifex "ein genaues Bild des Schadens und der faulen Fische" im Vatikan vermittelt habe.

Dass nach der historisch nahezu einzigartigen Abdankung eines Papstes die Gerüchteküche brodeln und Verschwörungstheorien aller Art auftischen würde, war vorauszusehen. Nicht nur die Boulevardmedien, auch kritische Kircheninsider gaben sich skeptisch. Da müsse doch mehr dahinterstecken als die angegriffene Gesundheit eines fast 86-Jährigen, möglicherweise ein Putsch im Vatikan, ein kurz vor der Aufdeckung stehender aktueller Skandal in der römischen Kurie, der Regierung des Papstes, oder einer aus Joseph Ratzingers Zeit als Erzbischof von München.

Ob der Bericht der Kardinäle, der bis zu einer Entscheidung des künftigen Papstes unter Verschluss bleiben soll, tatsächlich die tiefere Ursache oder der endgültige Anlass für den Rücktritt Benedikts XVI. war oder den Pontifex nur in einem schon länger gefassten Beschluss bestärkt hat, ist schwer zu beurteilen. Aber die nun kolportierten Gerüchte, es gebe "unsaubere Einflüsse" auf Mitglieder der Kurie und ein übergreifendes, durch "sexuelle Ausrichtung" verbundenes Netz von Lobbyisten mit Finanzinteressen (konkret ein Schwulen-Netzwerk mit wegen ihrer sexuellen Orientierung erpressbaren Kurienmitgliedern), sind keineswegs neu. Schon im Jahr 1999 sorgte ein anonyme Autorengruppe namens "I Millenari" (Die Jahrtausendmänner), der angeblich 20 Kurienprälaten angehörten, mit dem Buch "Via col vento in Vaticano" (Vom Winde verweht im Vatikan) für Aufsehen. Darin wurden Teile der Kurie als Sumpf von Korruption, Karrierismus und Machtkämpfen dargestellt. Freimaurerei, sexuelle Verfehlungen von Klerikern, insbesondere Homosexualität, ja sogar satanistische Praktiken innerhalb der vatikanischen Mauern wurden angeprangert.

Der damalige Kardinal Joseph Ratzinger sollte gelesen haben, was in diesem Buch über die Intrigenspiele einiger Seilschaften im Vatikan steht: "Es ist eine Vetternwirtschaft nach allen Regeln der Kunst, die der Papst ganz genau kennt, doch fehlt ihm der Mut, die Peitsche zu schwingen, um die Ränkeschmiede aus der Kurie zu verjagen. Er hat verstanden, dass das Spiel ihm aus der zitternden Hand gleitet, der es an Festigkeit fehlt, um diese Hemmungslosen zu entfernen, die er selbst mit so viel purpurner Macht ausgestattet hat. Obwohl er sie sehr gut kennt, tut er als rechter Duckmäuser so, als achte er sie für etwas, was sie nicht sind. ,Was soll ich denn tun?‘ vertraute sich Johannes Paul II. einer ihm nahe stehenden polnischen Person an. ,Zu viele sind beschuldigt, und sie stehen zu weit oben; ich kann sie nicht alle und in so kurzer Zeit entmachten.‘"