Zum Hauptinhalt springen

Killerroboter für Europa? Eine erschreckende Vision

Von Max Haller

Gastkommentare
Max Haller war Professor für Soziologie an der Universität Graz. Er ist Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und Obmann der Wiener Gesellschaft für Soziologie. Alle Beiträge dieserRubrik unter:www.wienerzeitung.at/gastkommentare

Die Stärke der EU ist seit jeher ihr Charakter als "Zivilmacht".


Erhard Fürst, mein ehemaliger Direktor am Institut für Höhere Studien, hat jüngst einen Gastkommentar zu Killerrobotern geschrieben, den man auf keinen Fall so stehen lassen sollte. Er schreibt zunächst, bei der Entwicklung von künstlicher Intelligenz und Robotik gebe es eine Anwendung, bei der die negativen Aspekte klar überwiegen: die Entwicklung von intelligenten Waffensystemen wie unbemannten Drohnen, Panzern, Flugzeugen usw., die eine weit höhere Wirksamkeit als konventionelle Waffen aufweisen und noch dazu kaum menschlichen Einsatz erfordern. Er nennt auch bereits bestehende Initiativen und Bewegungen, die dieser Entwicklung entgegenwirken wollen, und findet, sie sollten entschieden weitergeführt werden. Dann aber meint er in einer überraschenden Wende, der Zug sei "längst abgefahren", da es bereits ein Wettrüsten auch in diesem Bereich gebe. Für Europa bedeute das, dass es sich selbst massiv an der Entwicklung dieser Systeme beteiligen solle. Dies zum einen, damit es im neuen "Gleichgewicht des Schreckens" nicht abgehängt werde, und zum anderen, um ein "gewichtiger Mitspieler im Rahmen globaler Rüstungsbeschränkungen" werden beziehungsweise sein zu können.

Man könnte allerdings auch ganz andere Folgerungen ziehen: So erscheint schon die Ausgangsthese - wer die Oberhand bei den neuen Systemen gewinne, werde die Welt beherrschen - fragwürdig. Da ja alle Großmächte an diesen Entwicklungen arbeiten (wie sie es auch bei der Atomrüstung taten und tun), ist es praktisch ausgeschlossen, dass eine davon je so stark werden könnte, um alle zu beherrschen. Der lange Frieden zwischen den Großmächten seit 1945 hat auch damit zu tun, dass der potenzielle Einsatz von Atomwaffen sie letztlich alle davon abschreckt, einen globalen Krieg vom Zaun zu brechen. Zum anderen ist der Adressat von Fürsts Folgerung - nämlich "Europa" - unklar. Es ist wohl nicht Europa im üblichen Wortsinn gemeint (dann wäre auch Russland einzuschließen), sondern die Europäische Union. Diese ist heute aber noch weit entfernt von einer umfassenden eigenen Armee und Rüstung oder deren Aufbau.

Die Stärke der EU ist seit jeher ihr Charakter als "Zivilmacht", wie sie der niederländische Historiker, Diplomat und EWG-Mitbegründer Max Kohnstamm schon Anfang der 1970er charakterisierte. Auch als solche hat sie aber weltpolitisch durchaus starken Einfluss und gerade deshalb auch - insbesondere im globalen Süden - ein hohes Ansehen, weil sie auf das Drohen mit und den Einsatz von tödlichen Waffenarsenalen (wie es die USA, Russland und bald wohl auch China tun) verzichtet.