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Ein Staatshaushalt mit Hausverstand

Von Hanno Lorenz und Lukas Sustala

Gastkommentare

Seit mehr als 50 Jahren macht der Bund immer nur Schulden. Dass es auch anders gehen könnte, zeigt Schweden vor.


Nach der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise im Jahr 2008 ist das Wirtschaftswachstum in Europa und auch in Österreich über einige Jahre hinweg eher gering ausgefallen. Das blieb natürlich nicht ohne Auswirkungen für den österreichischen Staatshaushalt: Steigende Ausgaben, zum Beispiel für die Unterstützung Arbeitsloser, sorgten auch für steigende Schulden - nicht nur hierzulande, sondern quer durch Europa. Der Trend zur Staatsverschuldung wurde sogar noch verstärkt, als Rückgänge im privaten Konsum - in unsicheren Zeiten sparen die Menschen Geld - durch höhere öffentliche Ausgaben und Budgetdefizite ausgeglichen werden sollten.

Heute zeigt sich: Die Krise und die darauf folgenden staatlichen Interventionen haben merkliche Spuren im öffentlichen Haushalt hinterlassen: 2017 lagen die Staatsschulden in nur 7 der 19 Euroländer unter der gemeinsam vereinbarten Marke von 60 Prozent der jeweiligen Wirtschaftsleistung. In der gesamten EU war das in 12 Staaten der Fall. Noch zur Jahrtausendwende hielten sich immerhin 22 EU-Staaten an die Maastricht-Kriterien. Österreich gehörte freilich auch damals nicht zu den Musterländern: Seit Beginn der 1960er Jahre haben wir keinen Überschuss mehr erwirtschaftet: 2017 war das 55. Jahr in Folge (!) mit einem Defizit des Bundes.

Umfangreiche Fiskalregelnmit Ausgabenbremse

Die Idee, dass der Staat die Wirtschaft in Zeiten fehlender privater Nachfrage durch höhere Investitionen aus der Krise holen sollte, geht auf den britischen Nationalökonomen John Maynard Keynes zurück. In Österreich ist Keynes beliebt, aber er wird vielfach offenbar nur halb befolgt. Schließlich forderte Keynes neben dem "Deficit Spending" in Krisenzeiten auch entsprechende Überschüsse in den Boomjahren ein. Doch in Österreich werden in Krisenzeiten zwar höhere Defizite und Staatsausgaben gefordert, im Wirtschaftsaufschwung allerdings wecken die steigenden Steuereinnahmen Begehrlichkeiten - und die Ausgaben werden nicht gesenkt. Ein Blick nach Italien oder Griechenland lässt erahnen, dass es so nicht ewig weitergehen kann. Aber wie dann?

Wie so oft ließe sich auch in der jetzigen Situation von anderen lernen: Der schwedische Haushalt war schon in den 1990er Jahren mit einer Verschuldung von rund 70 Prozent der Wirtschaftsleistung so klamm, dass er den öffentlichen Sektor kaum noch finanzieren konnte. Um wieder handlungsfähig zu werden, setzten die Schweden in einem überparteilichen Konsens umfangreiche Fiskalregeln ein, die den Staatshaushalt sanieren und nachhaltig sichern sollten.

Bereits seit 1997 gilt in Schweden eine Ausgabenbremse für den Bund und das Pensionssystem. Sie definiert die maximal verfügbaren Gelder für die jeweiligen Ressorts über mehrere Jahre. Steigt der Bedarf unerwartet in einem Jahr, so kann das Geld entweder im Ressort selbst umverteilt oder das Budget temporär überschritten werden. In letzterem Fall würden die Ausgaben in den darauffolgenden Jahren automatisch so angepasst werden, dass das für den gesamten Planungshorizont ursprünglich beschiedene Budget eingehalten werden kann.

Um in Krisensituationen handlungsfähig zu bleiben, wurde außerdem im Jahr 2000 ein dauerhaftes Überschussziel über einen Konjunkturzyklus hinweg eingeführt. Auf diese Weise soll sichergestellt werden, dass der Staat vorausschauend haushaltet und in guten Wachstumsjahren spart, um ein Polster für schlechtere Zeiten zu haben. Zunächst einigte man sich in Schweden auf ein Überschussziel von 2 Prozent der Wirtschaftsleistung. 2007 wurde es auf 1 Prozent reduziert, weil die Schuldenquote unter 40 Prozent - also weit unter die gemeinsamen Maastricht-Kriterien - gesenkt werden konnte.

Anpassungsmechanismus bei Überschreitung des Budgets

In Österreich ist die Schuldenquote währenddessen vor allem in den vergangenen zehn Jahren deutlich auf knapp 80 Prozent des Bruttoinlandsprodukts angestiegen. In Schweden liegt sie trotz der schweren Krisenjahre noch immer bei rund 40 Prozent. Zwischen 1995 und 2017 erreichten die Schweden immerhin zwölfmal einen gesamtstaatlichen Überschuss, in zehn Jahren gab es Defizite. Österreich verzeichnete während dieser gesamten Zeit ein durchgehendes Defizit.

Um unsere Schuldenlast langfristig und nachhaltig in den Griff zu bekommen und die bereits hohen Abgaben nicht weiter steigen zu lassen, sollten wir unsere Fiskalregeln ebenfalls stärken: mit einem Haushaltsplan, der für die kommenden fünf Jahre alle öffentlichen Gelder den Ressorts bedarfsgerecht zuteilt und auf diese Weise die maximal zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel für diesen Zeitraum verbindlich festlegt. Wie die Gelder zwischen den Ressorts genau verteilt werden, ist Sache der Politik: Die Prognosen des Finanzministeriums zeigen, dass nicht alle Posten dieselbe Kostendynamik aufweisen. Bestimmten Ressorts könnte also ein stärkerer Zuwachs gewährt werden. Gleichzeitig müsste aber sichergestellt sein, dass die Entwicklung in anderen Bereichen schwächer ausfällt, damit die Summe aller Ausgaben nicht oberhalb der Inflation liegt.

Bei einer Überschreitung des Budgets innerhalb eines Ressorts sollte ein Anpassungsmechanismus greifen, mit dem das Budget für die darauffolgenden Jahre automatisch neu berechnet wird, um in Summe über den gesamten geplanten Zeitraum hinweg im Budgetpfad zu bleiben. Das jeweilige Ressort sollte dabei selbst darüber entscheiden, an welchen Stellen es Ausgaben kürzen will.

Auch andere Länder haben mit Fiskalregeln gute Erfahrungen gemacht. In der Schweiz und in Deutschland wurde die Ausgabenbremse sogar in der Verfassung verankert. Das hat nicht nur ganz praktische Auswirkungen - die Zahl der Regelverstöße konnte so deutlich verringert werden -, sondern auch einen hohen symbolischen Wert, weil sie zeigt: Die Vereinbarung über die Beschränkung staatlicher Ausgaben ist mehr als nur eine vage Absichtserklärung, an die sich nach kurzer Zeit schon keiner mehr so recht erinnern mag.

Der Gastkommentar ist auch im Magazin "Couleur" erschienen.

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