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Rettet Österreichs Welterbe

Von Christian Schuhböck

Gastkommentare

Die Eintragung des historischen Zentrums von Wien in die Rote Liste des gefährdeten Welterbes ist einerseits Warnung, andererseits aber auch die Gelegenheit, endlich reinen Tisch zu machen und entsprechende Gesetze zu erlassen.


"Die Regierung will alles unternehmen, um den Weltkulturerbestatus für Wien zu erhalten", haben Kulturminister Gernot Blümel und Vizekanzler Heinz-Christian Strache im Februar verkündet. Aber wie ist Österreich in dieses Dilemma geschlittert? Und wie können begangene Fehler korrigiert werden, um das Unesco-Welterbe "Historisches Zentrums von Wien" für Österreich doch noch zu retten?

1972 hat die Generalversammlung der Unesco das "Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt" (also die Welterbekonvention) mit dem Ziel beschlossen, die bedeutendsten Natur- und Kulturgüter der Welt vor Verfall, Verbauung oder Zerstörung zu bewahren. 1975 ist die Konvention in Kraft getreten. Kurz darauf ist die Bundesrepublik Deutschland 1976 beigetreten und hat dies im BGBl. II/1977 bekanntgegeben. Darin ist der Konventionstext in englischer, französischer und deutscher Sprache abgeduckt, wobei aber gemäß Artikel 30 der Konvention nur der englische und französische Wortlaut verbindlich sind, während es sich beim deutschen, wie auch angeführt, nur um eine Übersetzung handelt.

Fehlerhafte Übersetzung und fragwürdige Regierungsvorlage

Während gemäß französischem Wortlaut des Artikels 4 der Vertragsstaat die "Pflicht" ("l’obligation") zum Schutz und zur Erhaltung des in seinem Hoheitsgebiet befindlichen Kultur- und Naturerbes hat, wird in der deutschen Übersetzung nur noch von "Aufgabe" gesprochen. Diese gravierende Abschwächung ist mit ein Grund dafür, dass auch Deutschland im Laufe der Zeit Probleme mit seinen Welterbestätten bekam. So wurde 2004 bis 2006 der Kölner Dom aufgrund eines Hochhausprojektes am gegenüberliegenden Rheinufer in der Roten Liste gefährdeter Welterbestätten geführt; 2009 erfolgte die Aberkennung des Weltkulturerbe-Status des Dresdner Elbtales nach der Errichtung der Waldschlösschenbrücke, eines mehrspurigen Autobahnzubringers über die Elbe.

Als die Republik Österreich mit mehr als 20-jähriger Verspätung auf Druck der "Alliance For Nature" und anderer Nichtregierungsorganisationen der Welterbe-Konvention 1993 schließlich doch beitrat, wurde der deutschsprachige Wortlaut - und somit auch der fehlerbehaftete Artikel 4 - eins zu eins übernommen. Zudem wurde in der äußerst fragwürdigen Regierungsvorlage (RV 644 BlgNR XVIII. GP) aus dem Jahr 1992 festgehalten: "Die Verpflichtung aus Artikel 4 ist daher lediglich im Sinne einer grundsätzlichen politischen Ausrichtung, primär hinsichtlich der Auswahl zum Zweck des Antrages auf Aufnahme in diese Liste zu verstehen."

Artikel 4 sinngemäß richtigstellen

In seinen Erkenntnissen zum Vorhaben Semmering-Basistunnel neu aus den Jahren 2013 und 2015 (Zlen 2011/03/0160, 0162, 0164, 0165; Zl Ra 2015/03/0058-12) stützte sich der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) auf das BGBl. 60/1993 sowie auf diese Regierungsvorlage (RV 644 BlgNR XVIII. GP) und gab dadurch den Weg für den jahrzehntelang umstrittenen Tunnelbau durch das Landschaftsschutz-, Europaschutz- und Unesco-Welterbegebiet frei. Auf diese fragwürdigen VwGH-Erkenntnisse wiederum stützt sich nun die Magistratsdirektion der Stadt Wien in der Auseinandersetzung um das Hochhausprojekt am Heumarkt, das im Welterbegebiet "Historisches Zentrum von Wien" realisiert werden soll. Trotz wiederholt eingemahnter Vorgaben des Welterbekomitees der Unesco beschloss der Wiener Gemeinderat im Juni 2017 die Flächenumwidmung des Areals "Eislaufverein - Hotel InterContinental" zugunsten des Hochhausprojektes, weshalb Wiens historisches Zentrum im Juli 2017 auf die Rote Liste des gefährdeten Welterbes gesetzt wurde.

Um die drohende Aberkennung des Welterbestatus für das historische Zentrum von Wien und die damit einhergehende internationale Blamage für die Republik Österreich noch abzuwenden, könnte die Bundesregierung unter Bezugnahme auf Artikel 16 (4) B-VG (Bundes-Verfassungsgesetz) notwendige Gesetze erlassen, wobei insbesondere der Artikel 4 im BGBl. 60/1993 sinngemäß richtigzustellen und die Bestimmungen der Welterbekonvention samt deren Richtlinien gesetzlich festzuhalten wären.

Von der Befassung des Verfassungsgerichthofs (VfGH) mit dieser Causa gemäß Artikel 142 (2) B-VG, wie dies von einigen Bürgerinitiativen gefordert wird, ist abzuraten, da dieser zu einem ähnlichen Ergebnis kommen könnte wie das deutsche Bundesverfassungsgericht, das sich betreffend Weltkulturerbe "Dresdner Elbtal" in seinem 2007 gefällten Beschluss (2 BvR 695/07) unter anderem auf den bindenden Bürgerentscheid zugunsten der Waldschlösschenbrücke und auf die unverbindliche deutsche Übersetzung des Artikels 4 stützte.

Die Eintragung des historischen Zentrums von Wien in die Rote Liste des gefährdeten Welterbes ist einerseits Warnung, andererseits aber auch die Gelegenheit, endlich reinen Tisch zu machen und entsprechende Gesetze zu erlassen, um Österreichs Welterbe wirkungsvoll vor Verbauung zu schützen und für kommende Generationen zu erhalten.

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