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Moral und UNmoral

Von Christian Ortner

Gastkommentare

Die UNO genießt in Österreich traditionell höchstes Ansehen - nicht wirklich zu Recht.


Während noch nicht ganz klar ist, ob das Königreich Saudi-Arabien den Journalisten Jamal Khashoggi im Istanbuler Konsulat bloß zersägen ließ oder ihn auch noch in Säure aufgelöst und in die Kanalisation der Bosporus-Metropole entsorgt hat, wurde dem Wüstenstaat andernorts höchste Ehre zuteil. Satte drei Viertel der knapp hundert Mitglieder des Genfer UN-Menschenrechtsrats lobten jüngst Saudi-Arabien für seine Bemühungen um die Menschenrechte. Besonders gewürdigt wurden "Fortschritte im Bereich der Frauenrechte", "positive Schritte zum Schutz der Menschenrechte", oder (für außenpolitische Feinspitze) die "Unterstützung, die auf allen Ebenen für das Volk des Jemen geleistet wird" - in Form eines Blutbads von epischen Dimensionen.

Nun ist besagter Menschenrechtsrat eine Institution, die bekanntlich nicht einmal zum Krenreiben taugt, frei von jeglicher Relevanz ist und mit Recht von vernünftigen Menschen nicht einmal ignoriert wird.

Doch die jüngste Posse in Genf kann zumindest Anlass sein, das enorme Ansehen, das die UNO ganz besonders in Österreich traditionell genießt, einmal einem kurzen Faktencheck zu unterwerfen. Denn hierzulande werden die Vereinten Nationen ja im Allgemeinen als moralische Überinstanz angesehen, von der Bedeutung her irgendwo knapp über dem lieben Gott angesiedelt.

Mit der Wirklichkeit hat das freilich ungefähr so viel zu tun wie der UN-Migrationspakt mit einem seriösen Vertrag: praktisch nichts.

Denn von den 193 Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen hat die große Mehrheit mit Menschenrechten, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Meinungsfreiheit und anderen westlichen Werten nichts am Hut. Jene hingegen, die sich zumindest um die Einhaltung dieser Werte mühen, stellen eine Minderheit in der UN-Vollversammlung dar. Was sich natürlich in vielen Abstimmungsergebnissen widerspiegelt, etwa wenn es um Israel geht.

Nun spricht ja grundsätzlich nichts dagegen, in diesem Rahmen auch mit Staaten das Gespräch zu suchen, die nicht unsere Werte teilen. Staaten haben ja bekanntlich keine Freunde, sondern Interessen. Aber einer Organisation, in der Staaten mit hundsmiserabler Menschenrechtslage, geknebelter Presse und korrupten Regierungen die zahlenmäßige Mehrheit bilden, irgendeine moralische Deutungshoheit zuzugestehen, grenzt an Selbstverleugnung, gespeist aus mangelnder Sachkenntnis und einem gerade in Österreich verbreiteten Bedürfnis, lieber mit der Mehrheit zu irren als gegen sie recht zu haben.

Die in der öffentlichen Meinung dieses Landes immer wieder anzutreffende Annahme, alles, was von der UNO kommt, sei damit schon irgendwie automatisch gut und richtig, beruht deshalb auf einer völlig untauglichen Prämisse. Daher ist auch die Provenienz des umstrittenen Migrationspaktes - die UNO - kein Hinweis auf dessen besondere Qualitäten, wie manche meinen, sondern eher ein Grund, jeden Satz zweimal zu lesen, bevor man sich ein Urteil erlaubt.

Immerhin für Heiterkeit ist die Weltorganisation immer wieder gut. Etwa wenn, wie heuer im Sommer geschehen, der Vorsitz des UN-Abrüstungsausschusses neu besetzt wird - und ihn Syrien übernehmen darf. Das hat dann schon was.