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Dem Wirtschaftsstandort geht es gut - noch!

Von Bruno Rossmann

Gastkommentare
Bruno Rossmann ist Klubobmann der Liste Jetzt.

Umweltschutz, Rechts- und Sozialstaat sind keine Last, sie sind Österreichs große Stärke.


Den Mythos vom "abgesandelten" Wirtschaftsstandort kennen wir seit langem. Auch in der Inszenierung der neuen Regierung spielt er eine zentrale Rolle. Vorab, dem Wirtschaftsstandort geht es ausgezeichnet. Insbesondere die Industrie boomt wie selten und stellt sogar Exportweltmeister Deutschland seit einigen Jahren in den Schatten. Doch mit dem selbst erteilten Auftrag, Österreich wieder an die Spitze - von und in was auch immer - zu führen, versucht die Regierung, den Zwölf-Stunden-Tag, Steuersenkungen und andere Geschenke an Investoren zu rechtfertigen.

Das aktuellste Geschenk ist das Standortentwicklungsgesetz. Sein ernanntes Ziel: einzelnen Projekten gleich vorab eine Art Verdienstzeichen der Republik zu verleihen, um es im Genehmigungsverfahren auf die Überholspur zu schicken. Die Auswahl der begünstigten Projekte erfolgt durch ein ausschließlich von Ministerien beschicktes Gremium - allen voran durch die Wirtschaftsministerin und den Verkehrsminister, einmal türkis, einmal blau, wie es sich im von dieser Regierung perfektionierten Postenschacher gehört. Dass eine derart gewährte Sonderbehandlung eine Einladung zur Korruption darstellt, scheint nicht zu stören - Wahlkampfkostenüberschreitungen wollen schließlich finanziert werden.

Dass dabei der Umweltschutz auf das Abstellgleis gestellt wird, stört ebenfalls nicht. Denn konkret bezieht sich die Sonderbehandlung auf Verfahren der Umweltverträglichkeitsprüfung. Liegt nach zwölf Monaten kein unzweifelhafter Grund vor, das Projekt abzuweisen, ist es zu genehmigen. Dies ist nicht zuletzt deshalb bedenklich, weil die Hauptursachen für Verzögerungen in Verfahren zur Umweltverträglichkeitsprüfung in unvollständigen Unterlagen durch die Projektwerber liegen. Wer die Verfahrensdauer verantwortungsvoll und für alle Projektwerber gleichermaßen verkürzen will, müsste sich daher mit dem Prozess und den dafür zur Verfügung stehenden Ressourcen befassen, anstatt mit einer rechtsstaatlich fragwürdigen Vorgangsweise auch Projekte aus laufenden Verfahren (dritte Piste am Flughafen Wien, Lobautunnel) einer Sonderbehandlung zuzuführen.

Doch mit einer wirklichen Beschleunigung hat es die Regierung offenbar nicht eilig, weil es dem Wirtschaftsstandort ohnehin gut geht. Dafür bräuchte es auch keine der in diesem Jahr bereits beschlossenen Aushöhlungen des Umwelt- und Arbeitnehmerschutzes. Im Gegenteil, es sind die Standards und Leistungen des Sozialstaats, denen wir Gesundheit, Bildung und damit Produktivität der Beschäftigten unseres Landes maßgeblich verdanken.

Die Inszenierung dieser Bundesregierung ist daher doppelt trügerisch. Nicht nur verkauft sie den Wirtschaftsstandort unter seinem Wert. Sie nimmt diese falsche Tatsache auch noch zum Anlass für Maßnahmen, die den Wirtschaftsstandort langfristig tatsächlich schwächen könnten. Überarbeitete Beschäftigte und eine zerstörte Umwelt werden nicht ohne Auswirkungen bleiben. Daher gilt es, jetzt gegenzusteuern. Gegen eine Regierung, die nicht Leuchttürme errichtet, sondern selbige einzureißen droht.