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Die Freiheitlichen, die ich meine

Von Fabio Witzeling

Gastkommentare

Die FPÖ agiert heute defensiver als unter Jörg Haider. Dadurch wird ein nachhaltiger Wandel verhindert.


Vor 25 Jahren veröffentlichte Jörg Haider in Anlehnung an das gleichnamige Gedicht von Max von Schenkendorf - einem der bekanntesten Lyriker der Befreiungskriege - sein Buch "Die Freiheit, die ich meine". Gedacht war das in Wirklichkeit in weiten Teilen von Andreas Mölzer verfasste Werk als Programmschrift für eine Neuausrichtung des Dritten Lagers, das in einem demokratischen Befreiungsschlag Österreich in eine "Dritte Republik" führen sollte. Die Anziehungskraft des darin offengelegten Ansatzes lag in einer doppelten Zurückweisung: Einerseits wandte sich Haider gegen das von vielen als verkrustet und einengend wahrgenommene rot-schwarze Proporzsystem und andererseits gegen einen kulturmarxistischen Hedonismus in Medien, Kultur und Bildungssystem.

Damit wurden beide wahlverwandten Flügel des Dritten Lagers - Wirtschaftsliberale und Nationalkonservative - in einer gut verkaufbaren Synthese bedient. Denn diese erlaubte es dem aufstrebenden Frontmann, die dialektische Rolle des kulturbewahrenden Rebellen, des beschützenden Systemfeindes, des konservativen Revolutionärs einzunehmen. Eine Rolle, die dem geschichtsbewussten Beobachter nicht wirklich neu war, aber durch Haider und seine Getreuen einen zeitgemäßen Anstrich erfuhr. Auf diese vielversprechenden Anfänge und die weithin spürbare Aufbruchstimmung folgte die Phase des Aufstieges, in der er enttäuschte Sozialdemokraten sowie Konservative ansprach, bis zur Regierungsbeteiligung. Doch parteiinterne Querelen, Korruptionsfälle und politische Beliebigkeit - alles Folgen einer verfehlten Personalpolitik - führten schließlich zu Spaltung und Niedergang.

Sicherheit in Einheitals Strategie

Die neue FPÖ unter Heinz-Christian Strache hat aus jenen Jahren gelernt. Mit viel Disziplin und betonter Einheitlichkeit in Auftritt und Botschaft gelang über zehn Jahre wiederum der Aufstieg aus der Asche des Dritten Lagers zur Volkspartei. Nun findet sich die FPÖ erneut in Regierungsverantwortung. Fest entschlossen, die Fehler der Haider-FPÖ nicht zu wiederholen und sichtlich um den heiligen Koalitionsfrieden bemüht, setzt man vor allem auf eine Strategie: Sicherheit in Einheit.

Geprägt durch die beschriebenen Erfahrungen und getrieben von der internalisierten Gefahr durch ständige Angriffe von außen, verharrt die Partei auch als siegreiche Kraft in einer defensiven Haltung. Nach außen ergibt sich der unübersehbare Eindruck der Zufriedenheit, endlich angekommen zu sein. Und mit der neuen ÖVP unter Sebastian Kurz scheint ein Partner gefunden zu sein, der die Unerfahrenheit im Regierungsgeschäft kompensiert, ohne dabei die Schüsseldoktrin (die insgeheime Beschädigung des Koalitionspartners) zu verfolgen - zumindest bisher noch nicht. Um diese Position nicht zu gefährden, scheint nun verständlicherweise die Devise zu lauten: Nur keine Fehler machen!

Die Erfolge der einen bedeuten für die anderen Fehler

Nicht bedacht dabei wird, dass Opposition und etablierte Medien immer skandalöse Ausrutscher und politische Missgriffe finden werden. Die Demokratie lebt geradezu von dem Prinzip, dass die Erfolge der einen für die anderen Fehler bedeuten. Schwerer jedoch wiegt, dass aus dieser Haltung kein nachhaltiger Wandel herbeizuführen ist. Der Anspruch, es allen recht zu machen, kann die Partei in einer erstickenden Stagnation halten. Wenn keine mutigen Vorstöße unter anderem in Medien, Kultur und Wissenschaften (den Bollwerken der Etablierten) gewagt werden, wird Türkis-Blau wie einst Schwarz-Blau ein Störgeräusch in der Geschichte ohne nachhaltige Wirkung sein.

Nur im defensiven Modus zu verharren, birgt auch das Risiko, die eigene Wählerschaft zu entfremden und am Ende völlig entwaffnet dazustehen. Denn schon Benjamin Franklin wusste: Wer die Sicherheit der Freiheit vorzieht, wird beides verlieren.

Fabio Witzeling ist Soziologe am Humaninstitut Vienna.