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Keine guten Aussichten für die Erde

Von Kurt Ruppi

Gastkommentare

Die Menschheit rast sehenden Auges ungebremst in die Klimakatastrophe.


Viele Konferenzen zum Klimawandel haben schon stattgefunden. Bei der vergangenen in Paris wurde vereinbart, alles zu tun, damit die mittlere Temperatur der Erdatmosphäre nicht um mehr als 2 Grad - besser noch 1,5 Grad - steigen soll. In Kattowitz tagen gerade viele verantwortungsbewusste und hoch mit Rang und Expertise ausgestattete Menschen, um zu vereinbaren, was genau dafür zu tun wäre; denn wir sind dabei, durch unsere unvorsichtige Handlungsweise massiven Schaden an der Gesamtheit des irdischen Lebens anzurichten, obwohl dies unser bisher erworbenes Wissen vielleicht noch abwenden könnte. Technisches Wissen allein wird dazu nicht ausreichen, wenn Empathie und Sozialverhalten nicht mitwirken - es ist auch die Einsicht nötig, dass wir eine andere Denkweise brauchen.

Wir leben noch in vielen verschiedenen Kulturen, die wir Volk und Nation nennen und von denen die meisten jedes ungewohnte Verhalten ablehnen, und manche wollen sogar fremde Kulturen immer noch vernichten. Dies tritt am krassesten dort in Erscheinung, wo es sich in religiös begründeten Gewalttaten ausdrückt. Ein langfristiges, weltweites Miteinander ohne Streit und Kampf ist für uns nicht wirklich vorstellbar. Kreatürliche Angst, nationaler Neid und Egoismus sowie die Eigenarten unseres Wirtschaftsbetriebes hindern uns sogar an gerechter Verteilung unserer Lebensmittel, und Profitgier verführt uns zur Ausbeutung unserer Artgenossen und zur Plünderung unseres Planeten. Auch haben wir ein unbeherrschbar hohes Entwicklungstempo eingeschlagen, das Fehler unvermeidbar macht. Denn der Homo sapiens kann offenbar die nötigen Änderungen seines Verhaltens nicht erkennen, die ihm ermöglichen würden, im Einklang mit den Bedingungen seines Heimatplaneten zu leben.

Details und Ursachen

Am wesentlichsten ist wohl, dass unsere durchschnittliche Intelligenz seit Jahrzehnten messbar sinkt. Das ist durch Studien erwiesen, wird aber verschwiegen und scheint uns nicht weiter zu stören. Die Bevölkerung lässt sich auch leicht spalten und zur Gewaltbereitschaft verführen, auch in den reichsten Gemeinschaften - vielleicht gerade in diesen. Dabei wären wir eigentlich auf dem letzten Schritt des langen Weges von der Horde zur planetaren Gesellschaft.

Ein Grund für den Intelligenzverlust ist, dass wir durch unsere hemmungslose Wirtschaftsweise Produkte, Abfallstoffe und Zerfallsprodukte freisetzen, die seit Jahrhunderten (und zuletzt immer schneller) alle natürlichen Prozesse und Stoffkreisläufe durchsetzen. Das hat bereits soweit geführt, dass vor und knapp nach der Geburt des Menschen unbrauchbare Gehirnzellen entstehen, weil ungeeignete Chemikalien in Wachstumshormone eingebaut werden können - weil diese bereits in großer Menge und Vielfalt Bestandteile unseres Blutkreislaufes geworden sind. Darüber hinaus sind in vielen Regionen und Großstädten die Vorbereitung auf die Zeit der Unterrichtung und der Lernwille der Kinder sehr mangelhaft. Alle Menschen ausreichend und ständig auf dem nötigen Wissensstand zu halten, ist nicht möglich, scheint manchmal gar nicht erwünscht.

Die Zusammenführung der verschiedenen Kulturformen zu einer friedlichen und toleranten globalen Gemeinschaft in aller wünschenswerten Diversität erscheint unmöglich. Im Gegenteil: Nicht einmal auf gerechte Verteilung von Waren und Lebensmitteln wird ausreichend geachtet, es gibt daher regelmäßig Hungerkatastrophen und Fluchtwanderungen. Der Ausbruch einer riesigen Explosion von unvorstellbarer Gewalt ist durchaus denkbar.

Das herrschende Wirtschaftssystem mit dem Prinzip "Wachstum und Wettbewerb" trotz teilweisem Überfluss ist der Natur abgeschaut; es wird nicht hinterfragt, sondern missverstanden: Dass nach dem Aufblühen des Lebens (auch eines Biotops, einer Gesellschaft) üblicherweise eine Phase der Fruchtbildung und der Erneuerung der Spezies folgt, wurde offenbar nicht verstanden.

Das gierige Streben nach möglichst raschem Gewinn (materiell, finanziell) hindert uns an wirklich wirtschaftlichem Denken; dies ist am deutlichsten am Umgang mit Energie und deren Erzeugung merkbar. Unsere genetische Ausstattung (speziell der Antrieb zu Vermehrung und Lebenssicherung), die uns zur Dominanz auf der Erde verholfen hat, ist längst nicht mehr vonnöten und müsste eingedämmt werden; dazu ist der Homo sapiens offenbar nicht in der Lage.

Ausbeutung und Verseuchung des ganzen Planeten finden schon lange statt. So hat in der Nahrungsmittelerzeugung der Einsatz der Chemie zur Schädlingsbekämpfung bereits dazu geführt, dass in großen Gebieten 70 bis 80 Prozent der Biomasse aller Insekten verschwunden sind - die Menschen sind mancherorts schon gezwungen, die Blüten von Obstbäumen händisch zu bestäuben. Die Beschreibung weiterer Einzelheiten erübrigt sich; die Fehler sind zum Großteil bekannt, werden aber aus ökonomischen Gründen nicht korrigiert. Unter dem Titel "Umweltschutz" zusammengefasste Gegen- oder Reparaturmaßnahmen sind oft lachhaft dilettantisch und nur manchmal ausreichend wirksam.

Wir sind an die Erde gebunden

Wir müssen aber eines bedenken: Wir können nicht emigrieren. Der Homo sapiens ist zurzeit das höchstentwickelte Lebewesen der Erde. Wir haben einen sehr guten Wahrnehmungs- und Erkenntnisapparat, wie unsere Biologen dies nennen - Sinnesorgane und Gehirn. Grundsätzlich ist das Resultat unserer Wahrnehmungen und deren Verrechnung im Gehirn in der Lage, uns ein Bild der Welt zu geben, mit dem wir fähig sind, unser Leben bis zu seinem natürlichen Ende zu führen. Auf diese Art von Kenntnissen stellen wir in der Regel unser Verhalten ein; dieses Können hat uns auch zur Dominanz geführt. Doch dies gilt nur unter zwei Bedingungen:

Erstens darf sich die Umgebung, in der wir leben, aufgewachsen sind und geprägt wurden, nicht allzu sehr oder zu schnell ändern, sonst sind wir überfordert und lehnen das Neue, Fremde rundweg ab. Dies macht sich besonders dann bemerkbar, wenn sich Menschen verschiedener Kulturkreise mischen, wie es heute der Fall ist.

Zweitens spielt die zweifache Begrenzung unserer Fähigkeiten eine Rolle dabei, die natürlichen Erscheinungen der Welt richtig wahrzunehmen; so haben wir keine Rezeptoren für Magnetismus oder Radioaktivität, und unsere fünf Sinne haben nur begrenzte Reichweiten - hier kommt jenes Wissen ins Spiel, das nicht durch Sehen, Hören oder Tasten verifizierbar ist und nur durch Weitergabe (Unterricht) vermittelt werden kann.

Die Erde weiterhin zu schädigen und gegebenenfalls zu verlassen, was etwa Stephen Hawking dringend empfohlen hat, kann jedenfalls angesichts von 7,5 Milliarden Menschen keine sozialverträgliche Option sein. Die Erde ist gerade dabei, in Bezug auf Verstand und Verhalten ihrer Bewohner, Biodiversität, Klima und Reinheit um je eine Stufe zurückzufallen, und daran sind wir maßgeblich beteiligt.

Es ist schon lange offensichtlich, dass die Politik nicht nur überfordert ist, wenn es um die Sicherheit und die Sicherung unserer Zivilisation geht, sondern letztlich bei der Sicherheit von Technik und Wissenschaft. Unser leichtsinniges Handeln wird irgendwann Folgen haben, gegen die wir uns nicht mehr wehren können.

75 Billionen Dollar Kosten

Allein das Begrenzen der Erderwärmung auf einen Anstieg von 2 Grad würde laut einer Studie des Managementberaters Boston Consulting Group, beauftragt vom Bundesverband der Deutschen Industrie weltweit 75 Billionen US-Dollar kosten, die in den nächsten zwölf Jahren dafür eingesetzt werden müssten - es ist zu hoffen, dass es sich dabei um einen Druck- oder Rechenfehler handelt, denn das wären etwa 6,5 Billionen Dollar pro Jahr - zum Vergleich: Die Welt gibt pro Jahr
etwa 2 Billionen Dollar für das Militär aus, etwa dreimal so viel würde also der Klima Notstop erfordern.

Zweifel an der technischen Machbarkeit sind ebenfalls anzumelden - die Mondlandung war simpel im Vergleich dazu! Und die Kosten für die Behebung von Unwetterschäden samt Ernteausfällen, für Maßnahmen gegen soziale Verwerfungen durch Migration, für ausreichende Bildung in allen Ländern, für medizinische Aufwendungen im Kampf gegen neue Krankheiten, für die Altenpflege etc. sind da alle noch gar nicht mitgerechnet.

Noch dazu: Die USA wollen nachweislich ihren Verbrauch von Kohle, Öl, Gas nicht reduzieren; China, Indien und Afrika werden wohl im eigenen Land und mit eigenen Mitteln den Ausstoß von Treibhausgasen nicht ausreichend reduzieren können. Und Europa? Welche Autos die Deutschen künftig bauen, ob Polen die Kohle loswerden kann, ob Frankreichs Präsident Emmanuel Macron zurückrudert oder abgelöst wird - das steht alles in den Sternen.

Auch ist zu befürchten, dass bereits die aktuelle Klimakonferenz in Kattowitz zeigen wird, dass weder das Geld aufgetrieben noch das Einvernehmen für all die erforderlichen Maßnahmen hergestellt werden kann; jedenfalls nicht in dem schmalen Zeitfenster, das noch offen ist. Und dieses Zeitfenster wird erst recht nicht dazu reichen, die demokratisch erforderlichen Mehrheiten zum Umdenken zu bewegen.

Es wird also vermutlich wärmer werden auf der Welt, um mehr als die 1,5 oder 2 Grad. Dann werden wir auch um viele Millionen mehr sein als heute - und vermutlich noch egoistischer und aggressiver als heute. Berechtigte Angst und vergeblicher Zorn werden die Menschen antreiben, und entsprechend wird auch gehandelt werden. Keine Kultur oder Zivilisation kann das überstehen, schon gar nicht eine technisch so riskante wie unsere. Die nächsten Generationen werden wohl wieder viel mehr Gewalt erleben als wir heute.

Da bleibt fast zu hoffen, dass das sogenannte Anthropozän (das vom Menschen geprägte Erdzeitalter) nicht allzu lange dauern wird. Denn je mehr Arten wir zum Aussterben bringen, desto mehr Mühe und Zeit wird das Leben insgesamt aufbringen müssen, um sich auf der Erde wieder zu erholen.

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