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Der Seidenstraßen-Schmäh

Von Stefan Brocza

Gastkommentare

Die europäischen Hoffnungen hinsichtlich Chinas Prestigeprojekt werden sich nicht erfüllen. Die Teilnahme an der Neuen Seidenstraße wird stattdessen noch einiges an Problemen schaffen.


Der Containerverkehr auf der Eisenbahnroute entlang der neuen Seidenstraße von China nach Europa hat heuer in den ersten zehn Monaten bereits um 32 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum zugelegt. Am Freitag war die Neue Seidenstraße auch Thema einer Konferenz in der Oesterreichischen Nationalbank. Die UTLC ERA (United Transport and Logistics Company - Eurasian Rail Alliance), die zu gleichen Teilen den Staatsbahnen von Russland, Weißrussland und Kasachstan gehört, hat ihr Transportvolumen auf der Schiene zwischen Europa und China beziehungsweise Südostasien im Vorjahr sogar um 60 Prozent erhöht. 2025 soll alle 30 Minuten ein Zug auf der Neuen Seidenstraße fahren.

Aber es ist nicht alles eitel Wonne. Wenige Tage nach dem großen Staatsbesuch von Bundespräsident, Bundeskanzler und ein paar Ministern in China im heurigen April kritisierten 27 der 28 EU-Botschafter in Peking die chinesischen Vorgaben für eine Beteiligung an Bauprojekten entlang der neuen Mega-Handelsrouten. Die Seidenstraßen-Initiative laufe "der EU-Agenda für die Liberalisierung des Handels entgegen und verschiebt das Kräfteverhältnis zugunsten subventionierter chinesischer Unternehmen", hieß es in einer gemeinsamen Stellungnahme der Botschafter, die mit Ausnahme des ungarischen von allen anderen - somit auch vom österreichischen - mitgetragen wurde.

Während des vorangegangenen Staatsbesuches war von diesen Bedenken auf der österreichischen Seite jedoch nichts zu bemerken. Im Gegenteil: Norbert Hofer unterzeichnete am 8. April in seiner Funktion als Bundesminister für Transport, Innovation und Technologie eine "Common Declaration on Future Cooperation with Regard to the Silk Road Economic Belt and the 21st Century Maritime Silk Road Initiative".

90 Prozent der Aufträge gingen bisher an chinesische Firmen

Damit lag er voll auf der Linie des aktuellen Regierungsprogramms. Dort findet sich nämlich auf Seite 155 die Ankündigung, dass man sich an der Neuen Seidenstraße beteiligen möchte. Damit verbunden ist die Hoffnung, einen Teil der billionenschweren chinesischen Investitionen abzubekommen. Die Information, dass es im Kreis der EU-Botschafter in Peking gerade dazu massive Bedenken gibt, scheint nicht ihren Weg aus dem Außenministerium ins Verkehrsministerium gefunden zu haben. Man geht nämlich - auch auf Grundlage bisheriger Erfahrungen - davon aus, dass chinesische Firmen bei der Auftragsvergabe massiv bevorzugt werden dürften.

Verzaubert von der Magie der großen Zahlen - immerhin sollen vier Billionen Dollar ausgegeben werden - starrt man in Wien auf die erhofften Investitionen und die damit verbundenen Arbeitsplätze. Bereits Ende Jänner wurde übrigens im US-Kongress eine Studie präsentiert, laut der bei den bisherigen Bauprojekten entlang der Seidenstraße die jeweiligen Aufträge zu etwa 90 Prozent an chinesischen Unternehmen gingen. Engagiert werden chinesische Arbeiter mit chinesischem Material und chinesischen Maschinen. Wo da die Chance für österreichische Baufirmen oder gar für österreichische Arbeitnehmer liegen sollen, sollte man sich vielleicht doch noch einmal genauer überlegen.

Knebelung an chinesische Schiedsgerichte

Auch die rechtlichen Konsequenzen, die mit der Teilnahme an der Seidenstraßen-Initiative verbunden sind, werden bisher in Österreich nicht diskutiert. Gibt es nämlich entlang der Neuen Seidenstraße künftig Streitigkeiten zwischen den beteiligten Ländern, soll ausschließlich ein eigenes Seidenstraßen-Gericht mit Sitz in Peking (und Außenstellen in der chinesischen Handelsmetropole Shenzhen beziehungsweise der alten Kaiserstadt Xi’an) entscheiden. Zusätzlich will Chinas Handelskammer ein eigenes Gremium gründen, das künftige Handelsstreitigkeiten schlichten soll. Der dabei zur Anwendung kommende Grundsatz wird mit "Kooperieren und Teilen" umschrieben. Nach Rechtsstaatlichkeit klingt das jedenfalls schon einmal nicht.

Um mitmachen zu können, muss eine sogenannte Verhandlungsvereinbarung ("Memorandum of Understanding") mit China unterzeichnet werden. Das erklärt auch, warum sich etwa Großbritannien, die USA, Frankreich und auch Deutschland bisher strikt geweigert haben, eine solche Vereinbarung zu unterzeichnen. Unterwirft man sich doch damit quasi automatisch auch gleich den Spielregeln der künftigen Schiedsgerichte in Peking. Aus der EU haben sich diesem Pekinger Knebelvertrag bisher jedenfalls Ungarn, Tschechien und Rumänien unterworfen. Warum Österreich offensichtlich glaubt, in dieser Gruppe besser aufgehoben zu sein als an der Seite Deutschlands und Frankreichs, lässt sich nicht unmittelbar erklären.

Die von Minister Hofer im April unterzeichnete Deklaration lässt die geplanten Streitbeilegungsinstrumente zwar unerwähnt, vereinbart aber Kooperation und Austausch von Know-how im Bereich Infrastrukturtechnologie und enthält ein Bekenntnis zur Transportverlegung von der Straße auf die Schiene. Das einzig konkrete Projekt betrifft die Modernisierung der "Orient-East-Mediterranean Railway"-Achse, die Nord- und Ostsee quer durch Europa mit Mittelmeer und Schwarzem Meer verbindet. Hier gibt Österreich eine Art Verwendungszusage zum Ausbau von Infrastruktur für den Abschnitt Piräus-Wien. Ob das tatsächlich das erwartete große Geschäft und die tausenden Arbeitsplätze für Österreich bringen wird, ist mehr als zweifelhaft. Sicher ist zumindest, dass dann unzählige zusätzliche Frachtzüge durch Ostösterreich donnern werden - auf ihrem Weg von Piräus nach Hamburg. Die Anrainer wird’s freuen.