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"Haben wir einen Sprung in der Schüssel?"

Von Christian Ortner

Gastkommentare

Deutschlands wirtschaftliche Stärke ist teilweise eine Illusion. Das bedeutet für Österreich wenig Gutes.


Die wirklich gute Nachricht zum Jahresausklang: Österreich war 2018 nach allen Schätzungen wieder eine der erfolgreichsten Exportnationen der Welt, jedenfalls in Relation zur Größe des Landes. Mehr als 200 Milliarden Euro erlösten die tüchtigen heimischen Unternehmen im Ausland, damit wird mehr als die Hälfte unseres Wohlstands jenseits der Landesgrenzen erwirtschaftet, Tendenz weiterhin freundlich.

Die weniger gute Nachricht, die damit freilich zwingend und unauflösbar verknüpft ist: Ob Österreich seinen Wohlstand halten und mehren kann, hängt immer mehr davon ab, ob jene Staaten, in denen unsere Firmen Geld verdienen, ordentlich wirtschaften. Sonst werden sie sich früher oder später nicht mehr leisten können, "Made in Austria" zu kaufen. Das gilt für wichtige Exportmärkte wie Frankreich und Italien mit ihren bekannten Problemen, vor allem aber natürlich für Deutschland, den mit Abstand wichtigsten Markt hiesiger Unternehmen (mehr als 40 Milliarden an Ösi-Importen). Doch so stark Deutschland dazustehen scheint, so fragwürdig erscheint, ob das auch so bleiben wird. Denn die (noch) führende Industrienation Europas erweckt immer mehr den Eindruck, wirtschaftspolitisch ins Abseits zu driften.

Martin Herrenknecht, Gründer und Chef des gleichnamigen Weltmarktführers für Tunnelbohrmaschinen, brachte das jüngst auf den Punkt: "Das mit dem Berliner Flughafen BER ist ein Armutszeugnis - und wenn dann noch die Regierungsmaschine kaputt ist, und die Kanzlerin muss mit der Iberia nach Argentinien fliegen, fragt man sich: Haben wir einen Sprung in der Schüssel?"

Ein bloß anekdotischer Befund, gewiss, aber er deutet ein Grundproblem an: Die einstige Technikgroßmacht ist nicht mehr so recht auf der Höhe der Zeit, sie ist zwar noch immer extrem stark in Industrien, die aber ihre Blüte eher hinter sich haben wie (herkömmliche) Autos oder Banken; schwach ist sie in den Zukunftsbranchen der digitalen Ökonomie, insbesondere bei der Künstlichen Intelligenz, wo China bald dominieren könnte. "Wir sind ein lebendes Museum", feixt Herrenknecht, dessen High-Tech-Maschinen etwa den Bosporus- und den Gotthard-Tunnel gebohrt haben.

Dieses seltsame Museum hat sich noch dazu eine ziemlich schädliche Energiewende geleistet, die den Konsumenten astronomische Energiepreise aufbürdet und damit Kaufkraft entzieht, dessen Staatsausgaben für Soziales eskalieren und das zur Migration ins superteure Sozialsystem auch noch ermuntert hat. Dafür ist der Ausbau der digitalen Infrastruktur auf Dritte-Welt-Niveau: Nur 2 Prozent der Haushalte haben einen Glasfaseranschluss (Spanien: 50 Prozent); und der Wirtschaftsminister geniert sich öffentlich, mit Kollegen im Ausland via Handy zu telefonieren, weil die Verbindung so oft abreißt. Das Bildungssystem verliert sukzessive an Qualität und plagt sich mehr mit der Basisintegration von Migranten herum als mit der Produktion von Weltklasseabsolventen.

All diese Schwächen lassen sich noch eine Zeit lang kaschieren, Deutschland hat einiges an Substanz (und Kreditwürdigkeit). Trotzdem könnte die Wohlfahrtsillusion - etwa bei einer globalen Rezession - bald platzen. Für das mit Deutschland so eng verbundene Österreich wird das eine eher unerfreuliche Erfahrung.