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Die Verlogenheit der Sonderklassemedizin

Von Ernest G. Pichlbauer

Gastkommentare
Dr. Ernest G. Pichlbauer ist unabhängiger Gesundheitsökonom und Publizist.

Die Ärztekammer meint, wenn es keine Zwei-Klassen-Ambulanzen gibt, wird es eine Zwei-Klassen-Medizin geben - und die Länder stimmen zu.


Die Sonderklasse (SKL) ist merkwürdige. Abteilungen, die hinsichtlich Verpflegung und Unterbringung höheren Ansprüchen entsprechen, dürfen SKL-Gebühren einheben; und das nicht direkt, sondern über einen honorarberechtigten Arzt, in der Regel Primararzt, mit dem SKL-Versicherungen einen Vertrag haben. Was dieser SKL strikt verboten ist, ist eine bessere Behandlung respektive Versorgung (zum Beispiel kürzere Wartezeiten).

Dass das verboten ist, ergibt sich aus dem politischen Versprechen, dass alle alles bekommen, auf allerhöchstem Niveau, überall und immer. Daher kann es keine "bessere Behandlung oder Versorgung" geben, nur eine bessere "Hotelkomponente".

Das ist allerdings ein Versprechen, das jene 1,8 Millionen Österreicher, die eine SKL-Versicherung haben, nicht glauben. Fragt man diese, sind es gerade einmal 18 Prozent, die die Hotelkomponente als Kaufgrund anführen. Der Rest will Privilegien erkaufen, bessere Behandlung und Versorgung, bevorzugte und bessere Betreuung. Lauter Dinge, die rechtlich nicht angeboten werden können, aber trotzdem gekauft werden? Wenn jetzt über SKL-Ambulanzen geredet wird, in denen Snacks oder Ledersessel angeboten werden, dann ist das eben dem Recht geschuldet. Für Patienten ist das kein Kaufgrund.

Doch warum ist das ein Problem?

Es ist geplant, ambulante Versorgung zu stärken, was dazu führt, dass es zur Verlagerung von stationären Patienten in die Ambulanzen kommt - eigentlich sehr vernünftig. Aber, sollte es keine Zwei-Klassen-Ambulanzen geben, würden Spitäler um vielleicht zehn Millionen Euro weniger SKL-Einnahmen haben als heute. Verglichen mit den etwa 16.000 Millionen Euro, die die Spitäler kosten, ein verkraftbarer Verlust. Doch das ist eben nur die halbe Wahrheit. Denn diesen zehn Millionen Euro, die die Spitäler verlieren, stehen 80 Millionen Euro Einkommensverluste der Ärzte gegenüber - und dort, wo besonders viel verlagert werden soll, etwa Onkologie, Dermatologie oder auch Augen, müssten wohl einige Primarärzte Verluste von 20 Prozent oder mehr hinnehmen. Das sind schnell mehrere Tausend pro Monat - Auftritt Ärztekammer.

Diese Ärzte würden dann völlig zu Recht eine entsprechende Gehaltsforderung an ihre Arbeitgeber stellen. Da aber Gehaltsverhandlungen wegen der Kollektivverträge so starr sind, dass es kaum möglich wäre, den Einkommensverlust individuell auszugleichen, droht eine allgemeine Gehaltserhöhung vor allem der höheren Ärzte, was politische unangenehm ist - Auftritt Länder.

Ehrlich lösbar wäre das nur, wenn die Politik die Diskrepanz zwischen dem, was Menschen kaufen (bessere Behandlung), und dem, was Politik "erlaubt" ("Hotelkomponente"), zu kaufen, geschlossen würde. So etwas geht aber nur mit harten Schnitten - etwa der endgültigen Beendigung der SKL in öffentlichen Spitälern. Solange öffentliche Spitäler jedoch auf die Quersubventionierung der Arztgehälter durch SKL-Versicherung setzen, wird das nicht passieren. Und deswegen wird die Verlogenheit rund um die SKL auf Ambulanzen ausgedehnt - mit dem festen Versprechen, dass es dort wie überall keine Besserstellung geben wird. Denn alle bekommen alles auf allerhöchstem Niveau, überall und immer.