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Was uns die Zukunftsforschung verheißt

Von Isolde Charim

Gastkommentare
Isolde Charim ist Philosophin und Publizistin und arbeitet als wissenschaftliche Kuratorin am Kreisky Forum in Wien. Foto: Daniel Novotny

Die Zukunft als List der Vernunft.


Daniel Dettling hat im "Standard" sieben Thesen aufgestellt, wonach der rechte Populismus die Zukunft verbessere - so würde er Europa bestärken, die Demokratie voranbringen, die Gesellschaft nach links verschieben. All dies durch dessen Abwehr - also "wider seine Intention". Interessant an diesem Einwurf ist, was der Zukunftsforscher als Ressource, als Trost gegen das Düstere auffährt, um die Zukunft zurückzugewinnen. Es ist nicht der Aufruf zu einem neuen politischen Handeln, nicht das Beschwören einer neuen Dynamik, nicht der Appell, das politische Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Es ist vielmehr die paradoxe Beruhigung, der Populismus würde von alleine und gegen seine Absicht genau das befördern, was sich seine Gegner wünschen. Wie eine List der Vernunft, die sich hinter dem Rücken der Handelnden vollzieht.

Verkennt der Zukunftsforscher da nicht eine sehr gegenwärtige Triebkraft - nämlich genau jene, die den Populismus nährt? Ein entscheidendes Gefühl ist heute das der politischen Ohnmacht. Wer hat schon das Gefühl, in Aufbruchzeiten zu leben? Teil einer politischen Bewegung zu sein, die die Gesellschaft und die Zukunft gestaltet? Wer hat schon das Gefühl, die massivsten Veränderungen seien die Folge eines politischen Willens?

Nehmen wir etwa die Pluralisierung - also die neue Zusammensetzung der Bevölkerung. Diese war ein langer, schleichender Prozess, der sich in den Ereignissen von 2015 plötzlich verdichtet hat. Bis auf Verschwörungstheoretiker - den Romantikern des politischen Willens, den Nostalgikern des Strippenziehens, denen der Verdacht auch hier eine politische Intention liefert - bis auf diese, erlebt doch die Mehrheit der Menschen diese massive Veränderung ihres Umfelds, diese Veränderung der Gesellschaft als etwas, das passiert. Als etwas, das ihnen widerfährt. Als etwas, hinter dem eben kein politischer Wille steht. Schon gar nicht der eigene (und das unabhängig davon, ob man diese Veränderung gutheißt, gelassen hinnimmt oder als Bedrängnis erlebt und ablehnt).

Es ist nicht die geringste Triebfeder, sich dem Populismus zuzuwenden, diesen Verlust an Souveränität, diese narzisstische Kränkung der eigenen Handlungsfähigkeit auszugleichen. Denn es ist gerade der Populismus, der den Menschen verspricht, sie wieder souverän zu machen. Es geht nicht darum, ob er dieses Versprechen halten kann - sondern nur darum, dass es seinen Erfolg ausmacht. Wenn also das Problem das subjektive Erleben eines realen Handlungsverlustes ist - von der Pluralisierung bis zur Allmacht der Ökonomie -, wieso sollte die Vorstellung, der Populismus würde hinter unserem Rücken das Gute befördern, ein Trost sein? Wieso glaubt der Zukunftsforscher, die positive Zukunft, die doch sein Geschäft ist, ließe sich nur unbeabsichtigt, ohne einen Willen erreichen?

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Dies ist das letzte Mal, dass ich an dieser Stelle das Geschehen "aus sicherer Entfernung" kommentiert habe. Ich beende meine Tätigkeit auf eigenen Wunsch - jedoch nicht ohne mich zu bedanken. Bei der "Wiener Zeitung", die mir fünf Jahre lang diese Möglichkeit geboten hat. Und bei meinen Lesern.