Zum Hauptinhalt springen

Der lange Abschied der SPÖ von der sozialen Kompetenz

Von Werner Stanzl

Gastkommentare
Werner Stanzl ist Publizist und Dokumentarfilmer.
© Barbara Stanzl

Mit Steuergeschenken für die Besitzenden und einem "Jetzt nicht" liefert die SPÖ-Chefin der FPÖ eine Steilvorlage.


Wer sagt denn, dass es immer ein Weihnachtsmann sein muss? Bei der FPÖ versuchte sich heuer zum Beispiel eine Weihnachtsfrau. SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner kam und überreichte den Blauen ein Päckchen mit der Aufschrift "Vermögens- und Erbschaftssteuer nicht jetzt". Welch eine Steilvorlage für Heinz-Christian Strache und Genossen! Als Blender in Sachen Sozialkompetenz hat sie ausgerechnet die SPÖ-Chefin aufgewertet. Zumal die Frau Vorsitzende noch nachlegte: Das hohe Wirtschaftswachstum und die steuerlichen Mehreinnahmen wären eigentlich die Zeit für "Entlastung und nicht für zusätzliche Steuern". Sie will also den 5 Prozent der Bevölkerung, die die Hälfte von allem besitzen, Steuergeschenke nachwerfen. Eine geradezu obszöne Herangehensweise an den Versuch, Österreichs soziale Schieflage auszutarieren.

Wann, wenn nicht jetzt, üppige Erbschaften und krasse Vermögensanhäufung besteuern? Etwa beim nächsten Wirtschaftsabschwung, wenn alle jammern, eine schwächelnde Wirtschaft könne nicht zusätzlich belastet werden? Vor diesem Hintergrund wird klar: Wer jetzt gegen Erbschafts- und Vermögenssteuer ist, wird es ewig bleiben. Ergo muss jemand in der falschen Partei sein. Entweder Rendi-Wagner oder die klassischen Mentoren von Rechts, Österreichs 114.200 Millionäre und Milliardäre.

Das Gfrett der Sozis in dieser Causa hat Tradition. Ein Steuersatz dafür von 3 Prozent "rechnet sich nicht", dozierte seinerzeit Christian Kern als SPÖ-Chef in Koalitionshaft der ÖVP. Nun gut. Darf es dann ein wenig mehr sein? Etwa 40 Prozent? Das wäre der Satz der USA, bei einem Freibetrag zwischen 2 und
5 Millionen Dollar. Das müsste sich doch auch in Österreich rechnen. Immerhin werden hierzulande jährlich vorsichtig geschätzte
12 Milliarden Euro weitergereicht. Exklusive (!) der von den Erblassern selbst bewohnten Immobilien.

Nervtötend dazu das immer wieder vorgeschobene Argument, es handle sich bei nachgelassenem Vermögen um schon versteuertes Geld. Wäre das ein Ausschließungsgrund, müssten wir sofort die Mehrwertsteuer abschaffen. Und dann das ewige Hausieren mit der unverschämten Unterstellung, das Lamento sei der Neid der Besitzlosen. Es steigert nur das Unrecht der Besitzenden ins schier Unerträgliche.

Erstaunlich, dass Rendi-Wagner auf die Massendemos, denen der französische Präsident Emmanuel Macron nicht einmal mit milliardenschwerem Nachgeben Herr wurde, nichts Klügeres zu bieten hat. Müssen vor dem Begreifen unbedingt Schaufenster zersplittern, Autos brennen, Wasserwerfer Manifestanten von der Straße spülen? Am Ende vielleicht gar zwischen Kohlmarkt und Kärntner Straße?

Statt sich zu besinnen, reimte Rendi-Wagner gelegentlich, Karl Marx sei "zu wenig leistungsfreundlich". Da sie ja die Schriften des Theoretikers bestimmt genau studiert hat und folglich seine Formeln zum Arbeitsmehrwert intus hat ("Das Kapital", Seite 553 bis 556, Dietz Verlag 1968), wäre es interessant, zu erfahren, wo sie ihr Wunschergebnis auf der Skala zwischen der Ö-Leistungsnorm Ist und der Amazon-Leistungsnorm Soll ansiedeln würde.