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Wer Mauern baut, kann keine Brücken schlagen

Von Andreas Raffeiner

Gastkommentare
Andreas Raffeiner befindet sich im Doktoratstudium Geschichte an der Universität Innsbruck und lebt als freiberuflicher Redakteur, Rezensent und Referent in Bozen.

Donald Trump und die Wiederholung der Geschichte.


Dass US-Präsident Donald Trump lieber poltert als verhandelt, ist im Grunde nichts Neues. Doch er ist darüber hinaus auch ein wahrer Meister, wenn es darum geht, die Zustände an der Grenze zu Mexiko zu verzerren oder zu seinem Vorteil zu manipulieren. So wollte er in einer TV-Ansprache alle Mitbürger von der Dringlichkeit einer Grenzmauer gegenüber Mexiko überzeugen: Die US-Bürger sollten die Abgeordneten anrufen und Druck auf sie ausüben, damit der Kongress annähernd 6 Milliarden Dollar für den Bau bereitstellt.

Auch wenn die USA ein augenscheinliches Problem mit ihrer Einwanderungspolitik haben, verfolgt Trump damit nur ein klares Ziel: Ein Mauerbau könnte seine Aussichten auf die Wiederwahl in einem Jahr verbessern. Doch das Grenzprojekt ist alles andere als notwendig, sondern überflüssig und ineffizient. Es wäre sinnvoller, mehr Richter und Beamte einzustellen und die Asylverfahren zu beschleunigen. Aber eine Mauer? Nicht nur Mexiko atmete auf, als die Republikaner im November ihre Mehrheit im Repräsentantenhaus verloren. Trump schien sich von der wahnwitzigen Idee zu verabschieden. Doch die Freude währte nur kurz.

Trump, ein Mann der Verzerrung, Blendung und Hetze, beschwor die hypothetische Krise an die Grenze immer wieder. Immer wieder nahm er dazu düstere Farben, um das gar nicht existierende Horrorszenario zu malen: Tausende von Kriminellen würden die Grenze überrennen und auf diese Weise gemeinsam mit Waffen und Drogen illegal und ungehindert ins Land kommen.

Untersuchungen zeigen, dass statistisch gesehen illegale Einwanderer sogar weniger Delikte begehen als in den USA geborene Einheimische. Somit wäre wohl das Hauptargument für eine Mauer auf keinen Fall haltbar. Die unrechtmäßigen Grenzüberschreitungen sind weniger geworden, und wenn man schon illegal die Grenze übertritt, tarnt man sich als Urlauber und reist per Flugzeug an, um zu bleiben.

"Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten", hieß es vor fast sechs Jahrzehnten diesseits des Atlantiks. Damals ging es nicht um die illegale Einwanderung von Menschen oder kriminelle Machenschaften rund um Drogen, sondern um die Teilung Europas in Kapitalismus und Kommunismus beziehungsweise in West und Ost. Die Geschichte hat dessen ungeachtet gezeigt, dass der Freiheitsdrang der Menschen stärker ist als Eiserne Vorhänge und Mauern. Und wer Mauern errichten will, versteht nichts vom Schlagen von Brücken. Somit kann sich die Geschichte wiederholen.

Trump hat die Mauer und die Einwanderung zu Reizthemen hochgeschaukelt. Es ist ein Tauziehen ohne Ende. Selbst wenn die Mauer ein Ablenkungsmanöver ist, kann der ranghöchste Politiker der USA den Notstand ausrufen und die Mittel für seine strategische Grenzziehung gegenüber Mexiko aus anderen Etats abziehen. Der Kongress ist zum Zusehen verurteilt. Die Demokraten können die Gerichte anrufen, und die Mauer wird Verhandlungsstoff. Der Gesichtsverlust der Parteien bleibt klein, und wenn Trump die Fäuste in der Hose ballt, wird im Land wohl die Frustration gesteigert. Doch das ist ein anderes Kapitel.