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Vorsicht vor Patentrezepten von "Experten"

Von Ernst Smole

Gastkommentare
Ernst Smole war Berater mehrerer Bildungsminister und koordiniert ein rund 50-köpfiges multidisziplinären Team, das am "Unterrichts:Sozial:Arbeits- und Strukturplan für Österreich 2015 - 2030" arbeitet (www.ifkbw-nhf.at). Alle Beiträge dieserRubrik unter:www.wienerzeitung.at/gastkommentare

Die Schuleinschreibung ist eine unumkehrbare Weichenstellung. Bei der Auswahl der Volksschule sollte man sich nicht blenden lassen.


Die Schuleinschreibungen sind in vollem Gange. Die Elternerwartung an die Volksschule? "Kein Ärger" steht auf der Wunschlisten weit oben. Dass die Kinder "etwas lernen", gilt als selbstverständlich, ist aber lehrerindividuell in unterschiedlichem Maße der Fall. Den aussagekräftigsten Blick darauf, was ein Klassenlehrer in der Volksschule leistet, haben die Direktoren der weiterführenden Schulen, denn sie wissen genau, von welchen Lehrpersonen aus welchen Volksschulen im Vierjahresrhythmus besonders gut oder besorgniserregend suboptimal vorgebildete Kinder in die Gymnasien oder Neuen Mittelschulen strömen. Auf die Zeugnisnoten ist immer weniger Verlass - viele Lehrer geben dem Druck der Eltern nach einem "AHS-tauglichen" Volksschulzeugnis nach! Sowohl verbale Beurteilungen als auch Ziffernnoten können lügen.

Der falsche Weg ist es, sich von "megageilen" Websites von Schulen blenden zu lassen - diese versprechen oft mehr, als sie leisten können. Positiv elektrisiert sollte man sein, wenn eine Schule ankündigt, dass sie Lesen, Schreiben, Rechnen, konsequentes Arbeiten, Verlässlichkeit, fröhliches soziales Miteinander, Neugier und Interessenfähigkeit vermittelt. Doch diese Schulen findet man selten, denn sie gelten leider als uncool und gestrig.

Eltern sollten jedenfalls bei dieser unumkehrbaren Weichenstellungen namens Schuleinschreibung auch versuchen, die Direktoren jener AHS oder NMS, die von den zur Wahl stehenden Volksschulen beschickt werden, zu einer ehrlichen Auskunft über die Leistung der dortigen Lehrer zu bewegen. Dies sollte auch ohne "Bestechung" möglich sein.

Wie viel Elternhilfe benötigen Schulanfänger? Manche widmen sich selbständig, mit Freude und Ehrgeiz den schulischen Tätigkeiten, andere haben kein Schulinteresse, verweigern sich. Was tun? Die einen brauchen keine, die anderen massive Unterstützung der Eltern. Wer hier, ohne die Kinder konkret zu kennen, pauschale "Rezepte" empfiehlt, beweist, dass er von der Schulwirklichkeit und der Unterschiedlichkeit der Kinder keine Ahnung hat.

Sechsjährige sind heute extrem unterschiedlich, sie klaffen in ihrer Entwicklung so weit auseinander wie noch nie - und zwar gefühlt um bis zu 6 Jahre! Sechsjährige von "bildungspanischen" Eltern sind fallweise so trainiert, dass sie bereits das Lesen, Schreiben und Rechnen beherrschen wie Neunjährige, andere Sechsjährige sind noch nicht "trocken", da ihre Eltern das "selbstbestimmte Trockenwerden" anstreben. Ein besonders trauriges Phänomen sind jene Sechsjährigen, die schulunreif sind, da sie trotz zweier deutschsprachiger Elternteile über zu wenig Sprechkompetenz für den Schulstart verfügen. Dies ist darin begründet, dass ihre Eltern sich nicht genug mit ihnen unterhalten - das Smartphone spielt hier nachweislich eine negative Rolle.

Dies alles sind Fakten, die längst nicht in allen Expertenkreisen angekommen sind. Es ist daher weltfremd und unverantwortlich, wenn manche selbsternannte "Experten" patentrezepthaft raten, wie und ob Eltern ihren Kindern in schulischen Belangen helfen sollen oder nicht - dies differiert von Kind zu Kind.