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Und jährlich grüßt der Milliardär

Von Hanno Lorenz

Gastkommentare
Hanno Lorenz ist Ökonom bei der Denkfabrik Agenda Austria und forscht in den Bereichen Außenhandel, Armut und Verteilung, Bildung und Digitalisierung. Alle Beiträge dieserRubrik unter:www.wienerzeitung.at/gastkommentare

Um den Armen zu helfen, braucht es nicht mehr Steuern, Enteignung und Regulierung, sondern mehr Rechtsstaatlichkeit und Globalisierung.


Eines muss man der Nichtregierungsorganisation Oxfam lassen: Schlagzeilen kreieren können sie. Durch eine verzerrte Zuspitzung über die Ungleichheit in der Welt ist Oxfam die mediale Aufmerksamkeit gewiss. Je schlimmer die Botschaft, desto größer die Titelschrift. Pünktlich zu Beginn des Weltwirtschaftsforums in Davos hat Oxfam auch in diesem Jahr ihre Studie über Wohlstand und Armut in der Welt veröffentlicht. Nicht nur der Zeitpunkt ist immer der gleiche, sondern auch der Befund: Die Armen werden immer ärmer, während die Reichen immer reicher werden.

Dabei hat Oxfam in einem Punkt recht: Das oberste Promille der Gesellschaft ist in den vergangenen Jahren zu einem sagenhaften Reichtum gekommen. Aber statt aufzuklären, wie dieser unvorstellbare Wohlstand zustande gekommen ist, zeichnet Oxfam ganz bewusst ein verzerrtes Bild von den Zuständen der Welt. Es wird suggeriert, dass die Armen deshalb so arm sind, weil die Reichen so reich sind. Oder umgekehrt: dass die Reichen so reich sind, weil die Armen so arm sind.

Fakt ist aber, dass sich auf der Welt vieles zum Besseren gewendet hat. Wir leben länger und gesünder als noch vor wenigen Jahrzehnten. Mehr Menschen können lesen und schaffen es, sich ausreichend zu ernähren. Der Anteil der Menschen, die in extremer Armut leben, ist seit 1999 um zwei Drittel gesunken. Kritisiert wird aber, dass 26 Milliardäre so viel besitzen wie die ärmere Hälfte der Menschheit.

Was Oxfam übrigens nicht sagt, ist, dass viele Menschen mehr Schulden
als Vermögen haben. Die ärmsten 10 Prozent, etwa 500 Millionen Erwachsene, weisen rund 1 Billion US-Dollar mehr an Schulden als Vermögen aus. Sollten Sie, werter Leser, also schuldenfrei sein, besitzen Sie mehr als rund zwei Milliarden Erwachsene zusammen. Oxfams Einnahmen selbst liegen nur knapp unter dem Vermögen der ärmeren Weltbevölkerung zusammen. Jedes Jahr verfügt die Nichtregierungsorganisation über ein Budget von gut
1 Milliarde Euro und ist damit, laut eigener Berechnungsmethode, reicher als rund 3,8 Milliarden Menschen zusammen. Die NGO ist inzwischen also selbst ein riesiges Unternehmen.

Und dieser Konzern verzerrt gerne die Fakten, denn die Armen sind nicht arm, weil Jeff Bezos so viele Amazon-Pakete versendet oder dieser Gastkommentar mit einem Microsoft-Produkt von Bill Gates geschrieben wurde. Die Armen sind arm, weil sie in von Krieg geplagten Ländern leben. In Staaten, deren korrupte Regierungen wenig von Menschen- und Eigentumsrechten halten und die falsche Wirtschaftspolitik betreiben. Es sind jene Länder am ärmsten, die sich am wenigsten der Globalisierung geöffnet haben.

Will man den Armen helfen, braucht es nicht mehr Steuern, mehr Enteignung und mehr Regulierung. Es braucht mehr Rechtsstaatlichkeit und mehr Globalisierung, um mehr Menschen die Flucht aus der Armut und den Aufbau eines bescheidenen Vermögens zu ermöglichen. Genau darum sollte sich das alljährliche Oxfam-Spektakel eigentlich drehen. Aber mit derartigen Botschaften schafft es niemand auf die Titelseiten.