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Die Modernisierung des Nahen Ostens und Afrikas

Von Andreas Raffeiner

Gastkommentare
Andreas Raffeiner befindet sich im Doktoratstudium Geschichte an derUniversität Innsbruck und lebt als freiberuflicher Redakteur, Rezensent und Referent in Bozen. Alle Beiträge dieserRubrik unter:www.wienerzeitung.at/gastkommentare

Wer solidarisch ist, sollte auch über seinen eigenen Tellerrand blicken.


Lange umschrieb man Afrika als den "vergessenen Kontinent". Obwohl der Erdteil reich an Bodenschätzen ist, wird er von Gewaltherrschern ausgebeutet. Das Gebot der Stunde wäre, dass die humanitäre Politik mehr tut, als zeitweilig Leiden zu lindern. In Afrika, aber auch im Nahen Osten, fliehen viele Menschen vor Hunger, Armut, Krieg oder Arbeitslosigkeit. Die Wohlstandsunterschiede zwischen Afrika und Europa sind riesengroß. Nicht nur Zeithistoriker fragen sich, was nach der Unabhängigkeitswelle zu Beginn der 1960er falsch gelaufen ist.

Die Armutsbekämpfung an der Basis ist in den Mittelpunkt der globalen Kooperation gerückt. Trotzdem muss man wissen, dass Armut keine Krankheit, sondern eine Konsequenz einer gegenwartsfremden Ökonomie und eines unbefriedigenden Politikstils ist. Die Unternehmerklasse, die für den Fortschritt Pate steht, ist nicht immer angekommen.

Diese Länder haben den Zug verpasst, der sie lukrativ in die weltweite Wirtschaft katapultiert hätte. Man kann die alleinige Schuld nicht bei diesen Staaten suchen, sondern muss sich auch in Europa und in den reichen Ländern fragen, wieso man oft achselzuckend danebensteht oder parasitäre Staatsapparate unterstützt, während Millionen Menschen in Armut leben oder gar vom Hungertod bedroht sind.

Man muss ehrlich diskutieren und das Problem beim Schopf packen. Wenn der nationale Eigennutz blank und der Humanitarismus naiv ist, verläuft die Debatte im Sand. Die Regierungsverantwortlichen muss man an den Verhandlungstisch zerren, denn die Qualität von Verwaltung und Staatsführung ist unzähligen Weltbank-Studien zufolge kaum gestiegen. Dabei ist es im Grunde keine Hexerei, ein Land gut zu führen. Wenn aber zu viele vom Kuchen naschen wollen und praxisorientierte Fachleute fehlen, kann das Ganze ins Auge gehen. Dann ist ein Neuanfang bitter nötig.

Wer solidarisch ist, sollte auch anderen die Chance gewähren, ihren berechtigten Platz in der Welt zu finden. Auch Europa muss über den eigenen Tellerrand blicken und die Hand zum Dialog ausstrecken, statt korrupte Diktaturen und Lobbyisten zu unterstützen.

Die teils unkontrollierten Migrationsströme stellen uns vor eine große Herausforderung. Die Diskussion wirkt einseitig und befremdend polarisierend. In Afrika und im Nahen Osten sehnen sich die Menschen nach einer Zukunft in Würde. Wenn sie in diese ohne Ängste um ihre eigene Existenz blicken können, werden sie auch Alternativen zur Emigration finden.

Solange wir aber tatenlos zusehen, wird es immer wieder arme Länder und arme Menschen geben. Die Welt gehört allen Menschen. Wer humanitär helfen kann, Armutsmigration und Hunger in den Griff bekommt und sich nicht von den menschenverachtenden und schmutzigen Machenschaften der Diktatoren blenden lässt, der kann auch diplomatisch in Bezug auf Entwicklung und Zusammenführung der Welt agieren. Doch solange Gewinn und Eigennutz großgeschrieben werden und wir nichts aus der Geschichte lernen, wird das Unterfangen der Modernisierung in Afrika und im Nahen Osten schwierig, wenn nicht sogar unmöglich.