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Ein Regimewechsel mit schwerwiegenden globalen Folgen

Von Behrouz Khosrozadeh

Gastkommentare

Am 11. Februar 1979 siegte die Iranische Revolution unter der Führung von Ayatollah Ruhollah Chomeini. Sie begann mit "Taqiyya" (Täuschung), einem islamischen Prinzip defensiven Charakters: Demnach dürfen Muslime lügen und ihren Glauben verheimlichen, um zu überleben, wenn sie sich als Minderheit in einem "ungläubigen Umfeld" befinden. Auch die Schiiten, etwa 10 Prozent der Muslime, haben von diesem Prinzip Gebrauch gemacht. Unter Obhut der sunnitischen Herrschaft (etwa 90 Prozent der Muslime) durften sie lügen, um ihr Leben zu schützen.

Ayatollah Chomeini stellte dieses Prinzip auf den Kopf. Er verhieß von seinem Pariser Exil aus den Iranern den Himmel auf Erden: die Gleichberechtigung von Mann und Frau, Presse- und Meinungsfreiheit auch für Kommunisten, einen Staatsapparat frei von Klerikern und seinen persönlichen Rückzug nach Ghom, ins schiitische Zentrum des Iran.

Doch das Gegenteil war der Fall. Die relativ friedlich gewonnene Revolution wurde fortan blutig. Täglich sah man die von Kugeln zerschmetterten Körper der exekutierten Funktionäre des Schah-Regimes auf den Zeitungsseiten. Wenige Monate später drohte Chomeini in einer Ansprache, der kritischen Presse und ihren Journalisten das Handwerk zu legen. Auf die Nachfrage des ersten liberalen iranischen Präsidenten Abolhassan Banisadr - "Wo bleiben die Pariser Versprechungen?" -, antwortete der Ayatollah: "Ich bin nicht verpflichtet, mich an das zu halten, was ich gestern gesagt habe, geschweige denn vor Monaten." Weniger als drei Jahre nach der Islamischen Revolution waren alle Oppositionellen, die dem Ayatollah zum Sieg verholfen hatten, hingerichtet, inhaftiert oder aus dem Land gejagt, einschließlich Ex-Präsident Banisadr (seine Amtszeit dauerte vom 25. Jänner 1980 bis zum 21. Juni 1981), der seither im Pariser Exil lebt.

Nachwirkungendes Coups von 1953

Dabei hatte kaum jemand den Sturz der Monarchie auf der Rechnung. Der Schah regierte das Land autoritär-säkular, dennoch schien der Iran eine "Insel der Stabilität in einer unruhigen Umgebung" zu sein, wie es US-Präsident Jimmy Carter formulierte. Wirtschaftsexperten bescheinigen der Monarchie zwischen den 1960er und 1970er Jahren eine der glorreichsten Entwicklungen der Welt. Auf seine Öleinnahmen gestützt, durchlief der Iran damals eine rasante industrielle Entwicklung und wurde so zur fortschrittlichsten Ökonomie Westasiens und zur stärksten Militärmacht in Nahost.

Korruption und Ungereimtheiten waren Bestandteil des kaiserlichen Umfeldes, das rurale Milieu wurde zugunsten der Verstädterung vernachlässigt, aber was den Revolutionären nicht bewusst war, war die Tatsache, dass auch bei einer blühenden Wirtschaft
16 Jahre ein knapper Zeitraum sind, um Urbanisierung, Industrialisierung und Wohlfahrt des Ruralen voranzutreiben.

Die intellektuelle Elite diverser Couleur - ob islamistisch, kommunistisch oder teilweise liberal - hatte dem Schah seinen Coup von 1953, den Sturz des populären Premiers Mohammad Mossadegh mit Hilfe der USA und Großbritanniens, nie verziehen. Ihnen hatte der Schah die Rettung seines Throns zu verdanken. Der irrationale Hass gegenüber der Herrscherfamilie Pahlavi, die historisch für die Modernisierung des Landes steht, war ein Grund, sich um den rückständigen Oppositionsführer Chomeini zu scharen. Dabei wurde dessen Buch "Hokumat-i Eslami" (Der islamische Staat) samt dem darin dargelegten Prinzip "Velayate Faghih" (Herrschaft des Rechtsgelehrten) bereits 1970 veröffentlicht. Chomeinis Protest gegen die Reformen des Schahs ("Die weiße Revolution", 1963) - insbesondere gegen die Einführung des Wahlrechtes für Frauen - musste demnach bekannt sein.

Der Monarch löste sich mit der Zeit von seiner engen Abhängigkeit gegenüber den USA, blieb aber der wichtigste und zuverlässigste Verbündete des Westens in einer der strategisch und energiepolitisch vitalsten Gegenden der Welt. Die intellektuelle Elite und die Islamisten hielten ihn für eine Marionette des Weißen Hauses. Dabei war die ständige Preiserhöhungspolitik des Schahs als einflussreichstes Opec-Mitglied dem Westen ein Dorn im Auge.

Fatale Fehler des Monarchen ebneten den Revolutionssieg

Ein Artikel im Jänner 1978 in der größten und ältesten noch erscheinenden iranischen Zeitung "Ettela’at" löste dann die Revolution aus. Schah Reza Pahlavi, damals auf dem Zenit seiner Macht, ließ darin den noch im Exil weilenden Chomeini mit wüsten Beleidigungen belegen - eine unnötige Provokation. Auf blutige Proteste in der heiligen Stadt Ghom folgten Proteste in anderen Städten. Im August 1978 zeigte der Schah im iranischen Fernsehen Verständnis für den Volksaufstand und bat um eine Chance zu radikalen Reformen. Er bekam sie nicht. Er ging am 16. Jänner 1979 ins Exil, Chomeini kehrte am 1. Februar zurück. Zehn Tage später hatte die Revolution gesiegt.

Nicht die Stärke der Revolutionäre, die kaum selbst an ihren Sieg glaubten, sondern die fatalen Fehler des Monarchen und die konfuse Iran-Politik der USA ebneten den Revolutionssieg. Dabei zählte der Schah nicht zu den brutalsten Despoten der Welt.

Chomeinis Revolution traf die iranische Bevölkerung am härtesten: Das Pro-Kopf-Einkommen lag 1977 höher als jenes der Südkoreaner, die Türkei und Malaysia lagen mit deutlichem Abstand dahinter. Heute hat man verglichen mit diesen Staaten den Status eines Entwicklungslandes. Der iranische Reisepass war einer der anerkanntesten. Heute steht er in einer Reihe mit Staaten wie Somalia, Eritrea und dem Jemen.

Iraner waren weltweit angesehen, heute stellen sie etwa in Deutschland das drittgrößte Kontingent der Flüchtlinge nach Syrern und Afghanen. Mit mehr als sieben Millionen Auslandsiranern, zumeist Flüchtlingen, lebt fast jeder siebente Iraner im Ausland. Die iranische Währung Rial war ab 1978 konvertierbar. Heute taumelt sie in den Statistiken zwischen den wertlosesten Währungen der Welt. Frauen waren seinerzeit als Richterinnen und Ministerinnen sowie in vielen weiteren Positionen in Staat und Gesellschaft aktiv, und es bestand keine Verschleierungspflicht. Die Schah-Diktatur besaß sogar eine der saubersten Judikativen der damaligen sogenannten Dritten Welt. Der Schah musste zur Verurteilung der Oppositionellen Militärgerichte einrichten, denn die Justiz lehnte Prozesse zur Bestrafung der Meinungsfreiheit ab. Heute ist die iranische Justiz in die Steinzeit zurückgekehrt, sie vollstreckt Todesurteile am Kran und öffentliche Strafen wie Handabhacken oder Peitschenhiebe.

Die Revolution sorgte für die heutige Lage im Nahen Osten

Laut offiziellen Angaben leben von den 81 Millionen Iranern rund 30 Millionen unter der Armutsgrenze. Slumbewohner, die verarmten Angehörige der Mittelschicht, arbeitslose Akademiker (mehr als 40 Prozent der Arbeitslosen), Pensionisten und Menschen nahe dem Existenzverlust waren jene, die vor einem Jahr in etwa 100 Städten auf die Straße gingen und diesmal beide Lager - die vermeintlichen Reformer und die Hardliner - anprangerten.

Die Iranische Revolution erschütterte den Nahen Osten mit globalen Folgen. Der Schah hatte sehr gute Beziehungen zu Arabern und Israelis gepflegt und eine konstruktive Außenpolitik mit freundlichen Beziehungen zum Ostblock verfolgt. Unter Chomeini wurde der Freund der USA, der Araber und Israels über Nacht zum erbitterten Feind. Ohne diese Entwicklungen ist der heutige Nahe Osten nicht zu verstehen. Heute traut man den Mullahs kaum über den Weg. Mithilfe von "Taqiyya" wollten sie die Bombe besitzen. Nach jahrelangen Verhandlungen, zu denen parallel die Entwicklung des Atomprogramms heimlich vorangetrieben wurde, wäre der Gedanke nicht abwegig, dass eines Tages die Nachricht vom iranischen Atomtest die Welt überraschten könnte.

All dies ist keine zwangsläufige Entwicklung der Geschichte. Der US-Politikberater Zbigniew Brzezinski schrieb einmal: "Revolutionen sind nur dann unvermeidlich, wenn sie bereits stattgefunden haben." Im Gegensatz zu den heutigen Mullahs wäre die iranische Monarchie reformierbar gewesen. Bei einem Fortbestand hätten die globalen Umbrüche der 1980er und 1990er Jahre günstige Rahmenbedingungen für eine Demokratisierung des Iran geschaffen, so wie es auch in Südkorea und Lateinamerika der Fall war. Die Revolution war ein historisches Pech für den Iran.

Ayatollah Chomeinis Islamische Revolution vor 40 Jahren traf die iranische Bevölkerung am härtesten.

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