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Integration, wozu eigentlich?

Von Christian Ortner

Gastkommentare

Ein kleiner Fauxpas der Neos-Politikerin Irmgard Griss führt zu einer durchaus interessanten Grundsatzfrage.


Natürlich soll man nicht unbedingt auf die Goldwaage legen, was jemandem in einer emotionaleren Live-Diskussion gerade so über die Lippen kommt. Und trotzdem war irgendwie aufschlussreich, was der prominenten Neos-Politikerin Irmgard Griss jüngst beim "Talk im Hangar 7" auf "Servus TV" zum Thema Gewalt von Migranten so einfiel: "Wenn der nicht straffällig wird, wenn der niemanden umbringt, nicht stiehlt oder Drogen dealt, aber hier unsere Werte nicht anerkennt - also gegen die Gleichberechtigung der Frau ist -, das werden wir verschmerzen können."

Und, mehr noch, in Richtung auf den darüber eher empörten Mitdiskutanten Henryk M. Broder ("Die Welt") noch nachlegte: "Ja, wir werden damit leben müssen." Was ihr nicht nur einen veritablen Shitstorm in den Sozialen Medien (samt skandalöser und völlig inakzeptabler Hass-Eruptionen, die rechtlich geahndet werden sollten) einbrachte, sondern auch eine "Krone"-Headline ("Neos-Politikerin will Toleranz für Macho-Migranten") und etwas wohlverdienten Spott. "Damit ist klar: Irmgard Griss hätte unbedingt Bundespräsidentin werden müssen. Sie findet immer die richtigen Worte. Danke", ätzte der Soziologe Bernhard Heinzlmaier.

Was Griss sagte, war geschmacklos, inhaltlich falsch - wir müssen nämlich mit gar nichts leben in diesem Kontext - und vor allem politisch doof. Trotzdem kann man natürlich durchaus den Standpunkt vertreten, dass der Mehrheitsgesellschaft grundsätzlich egal sein kann, welche Haltung ein Migrant Frauen gegenüber vertritt, solange er (oder sie) sich auf Punkt und Beistrich an die hierzulande gültigen Gesetze und Normen hält; auch und gerade im Umgang der Geschlechter. Das sollte eigentlich schon völlig reichen, um einen korrekten Umgang miteinander sicherzustellen.

Es ist dies eine Haltung Migranten und Migrantinnen gegenüber, wie sie etwa in den USA traditionell mit einigem Erfolg praktiziert wird. Dort kann man auch als frischgebackener US-Bürger gerne mental ein Grazer, ein Schwarzafrikaner oder ein Shanghai-Chinese bleiben, solange man die Verfassung und die Gesetze respektiert, seine Steuern zahlt und sich ans lokale Geschwindigkeitslimit am Highway hält.

Auf "Integration", wie sie hierzulande verstanden wird, legt der Staat in den USA hingegen keinen gesteigerten Wert. Sogar der Spracherwerb bleibt weitgehend dem Einzelnen überlassen - was überhaupt kein Problem ist, solange der Staat Zuwanderer nicht wie bei uns finanziell alimentiert und quasi von Amts wegen integrieren will. Den Zugewanderten ökonomisch, aber auch kulturell völlig sich selbst zu überlassen, solange er sich an die Gesetze des Gastlandes hält, ist ein hierzulande fremd wirkendes, aber im Kern liberales Konzept von Einwanderung. Es muss nicht das beste aller Konzepte sein, aber es ist ein durchaus diskussionswürdiges.

Leider ist nicht zu anzunehmen, dass Neos-Politikerin Griss das gemeint hat, als sie ihr "das werden wir verschmerzen können" formuliert hat. Obwohl es ein Verständnis von Migration wäre, das einer liberalen Partei nicht schlecht zu Gesicht stünde.