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Diesel-Fahrverbote - dürfen die das?

Von Nina Hattinger

Gastkommentare

Der Umweltschutz und die verfassungsrechtlich verbriefte Freiheit des Eigentums der Autofahrer.


Tageszeitungen, Nachrichtenmagazine und Newsfeeds versorgen uns beinahe täglich mit neuen Erkenntnissen, Statistiken und Meinungen, welche die Einführung von Diesel-Fahrverboten entweder entschlossen unterstützen oder unmöglich erscheinen lassen wollen. Im Hintergrund dieser Diskussionen schwingt dabei immer eine Perspektive mit, der es besondere Beachtung zu schenken gilt. Man darf dieses Thema nämlich durchaus auf die grundlegendsten Werte unserer Gesellschaft herunterbrechen und sich fragen, ob ein Diesel-Fahrverbot womöglich gegen verfassungsrechtlich gewährleistete Rechte verstoßen würde.

Einig ist man sich darüber, dass uns Diesel-Fahrverbote einschränken würden. Inwiefern wir tatsächlich davon betroffen sind, hängt letztendlich von der konkreten Konzeption und Umsetzung des Fahrverbots ab.

Aber darf man uns denn überhaupt einschränken? Die österreichische Bundesverfassung garantiert uns schließlich - unter anderem - die Freiheit unseres Eigentums und das Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz. Im verfassungsrechtlichen Sinn ist unter "Eigentum" nicht nur das (bloße) Innehaben einer Eigentumsposition zu verstehen. Auch Vermögensdispositionen und damit verbundene vermögenswerte Interessen - etwa bei Investitionsmaßnahmen - fallen unter diesen Begriff. Grundsätzlich ist daher auch die Nutzung eines Vermögensgegenstands, wie zum Beispiel eines Dieselfahrzeugs, vom Schutzbereich des Eigentumsrechts umfasst. Nun soll die Nutzung der Dieselfahrzeuge durch "hoheitliche Maßnahmen, die das Eigentum belasten oder seine Nutzung regeln", eingeschränkt werden.

Das Recht auf Gleichheitvor dem Gesetz

Verfassungswidrig ist eine solche Einschränkung dann, wenn dafür kein öffentliches Interesse besteht. Alleine mit dem Argument des Schutzes der Bevölkerung oder der Umwelt vor schädlichen Luftschadstoffen - auf welchem im Wesentlichen auch die zahlreichen national und international ergangenen Regelungen zur Schadstoffbegrenzung bisher basieren - wird man auf ein öffentliches Interesse stoßen. Freilich wird diese Argumentation im konkreten Fall (aufwendig) zu untermauern sein.

Ist diese Hürde genommen, bedarf es im nächsten Schritt einer Interessenabwägung. Überwiegt das öffentliche Interesse an einem Diesel-Fahrverbot die Interessen der von der Eigentumsbeschränkung Betroffenen an der Verhinderung des Eigentumseingriffes durch das Diesel-Fahrverbot? Genau an dieser Stelle kommen nun die zahlreichen bekannten Alternativmaßnahmen wie Citymaut, Tempolimits, verpflichtende technische Aufrüstungen etc. ins Spiel, die es bei diesem Schritt in Erwägung zu ziehen gilt.

Auch das Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz ist näher zu betrachten. Aus dem Gleichheitssatz ist zunächst ein Sachlichkeitsgebot abzuleiten. Diesem entspricht ein Diesel-Fahrverbot dann, wenn das Fahrverbot kein "völlig untaugliches Mittel" zur Zielerreichung, nämlich der Reduktion von Schadstoffemissionen, darstellt. Davon wird man ausgehen können. Anschließend ist zu prüfen, ob mit dem Diesel-Fahrverbot "Gleiches gleich und Ungleiches ungleich" behandelt wird.

Die wesentliche Frage ist hier, ob zwischen zwei Vergleichsobjekten "wesentliche" Unterschiede beziehungsweise "wesentliche" Gemeinsamkeiten bestehen. Ein Beispiel: Welche emissionsbezogenen Unterschiede beziehungsweise Gemeinsamkeiten bestehen zwischen dieselbetriebene Pkw mit der Abgasnorm Euro 6 und benzinbetriebenen Pkw mit der Abgasnorm 3? Dazu kann gesagt werden, dass es jedenfalls Unterschiede und vielleicht auch Gemeinsamkeiten gibt. Wie bedeutend müssen die Unterschiede allerdings sein, um für den dieselbetriebenen Pkw Fahrverbote zu erlassen, für den benzinbetriebenen Pkw hingegen nicht?

Die Rolle des Vertrauensgrundsatzes

Auch der vom Verfassungsgerichtshof aus dem Gleichheitssatz entwickelte Vertrauensgrundsatz darf nicht unerwähnt bleiben. Es gibt demnach grundsätzlich keine Garantie dafür, dass sich die geltende Rechtslage nicht ändert, gegebenenfalls auch nachteilig für die Rechtsunterworfenen. Der Verfassungsgerichtshof ist allerdings der Ansicht, dass der rechtspolitischen Gestaltungsfreiheit dort Grenzen gesetzt werden müssen, wo Betroffene durch eine staatliche Maßnahme "angelockt" wurden. Finanzierungsangebote von Automobilherstellern und Preisnachlässe oder Kaufprämien für Dieselfahrzeuge stellen jedenfalls keine staatlichen Maßnahmen dar.

Darüber hinaus setzt der Verfassungsgerichtshof auch dort Grenzen, wo eine Änderung der Rechtslage einen plötzlichen und intensiven Eingriff in Rechtsansprüche bewirkt, die wegen der damit verbundenen, gravierenden Folgen für die Betroffenen sachlich nicht zu rechtfertigen ist. Dieses Problem soll dann mit entsprechenden Übergangsfristen gelöst werden.

Schutzpflichtendes Staates

Und dann wären da noch das Recht auf Leben oder das Recht auf Privat- und Familienleben. Aus diesen werden - mittlerweile unbestritten - positive Schutzpflichten des Staates abgeleitet. Darunter fallen unter anderem präventive Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung. An diesem Punkt stellt sich dann folgende Frage: Ist der Staat unter Umständen sogar verpflichtet, Diesel-Fahrverbote zu erlassen?

Fazit: Die Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit eines Diesel-Fahrverbots setzt Wissen um die tatsächlichen Gegebenheiten, Auswirkungen und konkreten Ausgestaltung des Fahrverbots voraus. Über dieses Wissen verfügen wir zum aktuellen Zeitpunkt (noch) nicht, jedoch wird ein potenzielles Diesel-Fahrverbot, auch aufgrund des großen Interesses der Öffentlichkeit an diesem Thema, weiterhin aus zahlreichen verschiedenen Perspektiven analysiert werden müssen, bevor es zu einer finalen Beurteilung und Entscheidung kommen kann.