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Traum- und Problemlehrer werden nicht geboren, sondern gemacht

Von Ernst Smole

Gastkommentare

Eine Mathematiklehrerin an einem Gymnasium in Wien steht unter Beschuss der Eltern und der Medien. Sie soll sich abfällig über die Begabung von Schülern geäußert und den Besuch des WC während der Unterrichtsstunden verboten haben. "Hinaus aus der Schule mit solchen Menschenschindern!", heißt es. Seltener ist zu vernehmen: "Vielleicht nimmt diese Kollegin lediglich ihre Unterrichtstätigkeit sehr ernst, und es gehen ihr fallweise die Nerven durch!"

Mathematiklehrer sind am häufigsten von Burnout betroffenen. Mathematik ist der zentrale Grund für die Schulangst der Schüler, das Fach verschlingt mehr Nachhilfegelder als alle anderen Unterrichtsgegenstände gemeinsam. Die Uni und die TU Wien beklagen die mangelnden Fähigkeiten der Maturanten (!) in den Grund(!)rechnungsarten.



1) Der "Lehrstoff" in
Mathematik:

Mathematik ist der letzte Gegenstand gewesen, der unter dem Druck der Industriellen Revolution Eingang in das klassische Gymnasium gefunden hat. Quasi als Pendelschlag erlangte der Mathematikunterricht in der Schule eine "Richterfunktion": Wer in Mathematik Probleme hat, gilt zu oft generell als dumm und unbegabt, dies ungeachtet der Stärken in anderen Bereichen. Der Lehrstoff nicht nur der Oberstufe ist für die Mehrheit der Schüler kaum leistbar. Auch positiv benotete Schüler räumen ein, dass sie die Inhalte auswendig lernen, aber wenig davon wirklich verstehen.

Mathematik als traditioneller "Leitgegenstand": Der Umstand, dass die heutige Halbtagesschule mit früheren Elternaufgaben - verschiedenste "Erziehungen" über Straßenverkehr und Geschlechtsleben, Taschengeld-"Management" etc. - überfrachtet ist, bewirkt neben anderen "Erkrankungen" der Schule wie Projektitis und Reformitis, dass weder Zeit noch Aufmerksamkeit für das unverzichtbare, regelmäßige und konzentrierte (!) Üben der Basics Lesen, Schreiben und Rechnen bleibt.



2) Das Unterrichtskönnen
der Lehrer:

"Ja, es ist mein Traumberuf, an dieser Schule zu unterrichten! Es ist aber jahrelange harte Arbeit an mir selber gewesen, bis mir das Unterrichten zum Traumberuf geworden ist!" Also spricht eine Lehrerin, die eben eine Traumstunde hingelegt hat - an einer "Brennpunktschule" in Wien. Man weiß aus weltweit übereinstimmenden Studien, dass das Gelingen von Schule zu rund 90 Prozent dem individuellen Können jedes einzelnen Lehrers zu danken ist!

3) Der Schulverwaltungssaurier:

Will man einen Heiterkeitserfolg landen, dann erzählt man von der Struktur der Schulverwaltung - von der weltweit "einzigartigen" vielstufigen Hierarchie, die im internationalen Vergleich für ein Volk von 66 Millionen Einwohnern dimensioniert ist, aus den 1780ern stammt und die für das Spitzelwesen konzipiert worden war. Für Kopfschütteln sorgt, dass Schulgesetze beschlossen werden, ohne für jene Finanzmittel zu sorgen, die zur Verwirklichung der beschlossenen Gesetze notwendig wären. Das "Strukturelement Schulbehörde" ist aufgrund des Kompetenzirrgartens nicht dazu fähig, die Schüler vor nachhaltig uneinsichtigen Problemlehrern zu schützen! Keine Lehrperson ist absichtlich oder aus Sadismus ein Problemlehrer. Problemlehrer werden so wie Traumlehrer nicht "geboren", sie werden durch glückliche oder eben durch tragische Umstände "gemacht".

Was ist zu tun?

Im Mathematikunterricht muss das regelmäßige Üben und Wiederholen wieder zur Norm werden, und spätestens in der Oberstufe muss es weiterführende, anwendungsorientierte "Basismathematik für alle" und den Freigegenstand "Höhere Mathematik für künftige Technikstudierende" geben. Eine künftige Pädagogenbildung muss auf die konkreten Anforderung Bezug nehmen, was auch bewirken würde, dass die Lehrer fortbildungsinteressiert bleiben. Der Staat hat sein dysfunktionales Schulsystem vom "Kopf auf die Füße zu stellen", indem er die Durchführung von Schule in kontrollierter Autonomie auf die Bürgerebene verlagert, der Bund einen knappen Gesetzesrahmen vorgibt und die Länder ohne Behördenfunktion Serviceleistungen bieten.

Die Behebung der Probleme wird nur durch eine partnerschaftliche, allparteiliche, und plangeleitete Kooperation von Zivilgesellschaft, Sozialpartnern und Bildungspolitik gelingen. Alle Player & Stakeholder wissen, was zu tun ist: die Lehrpersonen stärken, die ausgeuferte Schulverwaltungshierarchie "entstören" und den Mathematikunterricht in das Heute führen. Machen wir es - gemeinsam!

Man weiß aus Studien, dass das Gelingen von Schule zu 90 Prozent dem Können jedes einzelnen Lehrers zu danken ist.

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