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Zunehmender "Rückzug" ins Private, ein neues politisches Programm?

Von Holger Blisse

Gastkommentare

Eine Politik, die dem Staat seine Möglichkeiten nimmt, zu Medien- und Meinungsvielfalt, einem breiteren Angebot und damit günstigeren Leistungen aktiv beizutragen: Mit welcher Absicht und gar in wessen Auftrag? Betrachten wir das Thema "Wohnen" genauer: Zwei Drittel der Bevölkerung der Stadt Wien leben in einer Gemeindewohnung oder einer geförderten Wohnung, 78 Prozent wohnen zur Miete. Das Immobilienvermögen von Wiener Wohnen ist über Generationen gewachsen. Es ist nicht handel- und nicht veräußerbar.

Damit passt es nur allzu wenig zum Konzept einer "freien" Marktwirtschaft, wie sie auch auf die Gedanken des Wiener Wissenschafters Friedrich August von Hayek (1899 bis 1992) zurückgeht. Privatisierung im großen staatlichen Vermögen könnte leicht, über den scheinbar gut gemeinten Weg als Beitrag zur Vermögensbildung von (zunächst einzelnen, dafür in Frage kommenden) Mietern, über die Zeit zur Konzentration bei wenigen führen. Nur, dass diese sich nicht gegenüber der Gemeinschaft verpflichtet zu fühlen brauchen, also asozial handeln dürfen. So hatte es sich der Wissenschafter vorgestellt, den "Die Presse" kürzlich zitierte: "Ich muss gestehen, wenn Sie auch darüber entsetzt sein werden, dass ich nicht sozial denken kann - denn ich weiß nicht, was das heißt."

Das Soziale ergibt sich immer mit Hinwendung zu einem anderen, man muss ihn dafür gar nicht persönlich kennen. Über die soziale bis zur ökosozialen Marktwirtschaft ist der Begriff über andere Personen dann doch in die Wirtschaftsordnung gelangt. In ihrem Grundsatzprogramm 2015 für Wien unterstreicht die ÖVP: "Wohnen muss für die Menschen leistbar sein. Sozialer Wohnbau soll in erster Linie sozial bedürftigen Menschen vorbehalten sein."

Aktuell lautet eine Passage (auf der nicht offiziellen Seite www.stadt-wien.at): "Die Entwicklung zeigt, dass sich immer weniger Menschen Eigentum leisten können. (...) Eigentum verhindert Armut im Alter, schafft Wohlstand, mindert die Abwanderung in den Speckgürtel und fördert die Unabhängigkeit von der Stadt bzw. vom Vermieter. Jene Wienerinnen und Wiener, die selbstbestimmt wohnen wollen, sollen das auch dürfen und können." Dem ist nicht zu widersprechen.

Private Vorsorge sollte im Hinblick auf das Einkommen allen möglich sein. Doch warum dies mit einer Umwidmung von bestehendem Gemeinschaftsvermögen verbunden werden soll, das erschließt sich nicht auf den ersten Blick. Auch gegen eine Förderung ist nichts einzuwenden. Denn Förderung wird notwendig sein, um den Fremdfinanzierungsanteil (Kredite) gerade in der Stadt mit ihren höheren Grundstückspreisen zu verringern.

Doch ist Vorsicht geboten. Trennt sich die Familie, zieht ein Elternteil aus und ist nicht mehr bereit, die Raten des Kredites mit zu bezahlen, kann es zu einem Verkauf unter Zeitdruck kommen. Dabei werden selten marktgerechte Preise erzielt. Gerade in städtischen Ballungsgebieten, wo der Zuwachs an leistbarem Wohnraum ohnehin begrenzt ist, sollte nicht ohne Not in die gewachsene Markt- und Wettbewerbsstruktur eingegriffen und diese - wenn auch zunächst nur punktuell - aufgelöst werden.

Denn so viel Eigentum, wie ihm Geld der Investoren gegenübersteht, das auf Veranlagung wartet, kann gar nicht geschaffen werden. Und wer will verhindern, dass die im Zuge der Privatisierung Eigentümer gewordenen Mieter auf ein "gutes" Angebot eingehen und einem privaten, an hohen Einnahmen aus Vermietung interessierten Wohnungsunternehmen ihre Wohnung verkaufen, um das in der Stadt zu teure Haus im Grünen außerhalb Wiens zu kaufen?

Eine Privatisierung im Gemeindebau, wie die im "Standard" dokumentierte Diskussion zeigt, führt wie bei der heute bekannten Variante von Monopoly dazu, dass am Ende die Eigentümer der dunkelblauen Straßen, Parkstraße und Schlossallee, gewinnen. Es sei denn, man aktiviert die ursprünglich zusätzlich von der Erfinderin gedachte Regel, die einen Ausgleich zulässt. Mit dieser Hilfe hätten am Ende alle auf Dauer "etwas mehr".

Vielleicht umschreibt dies - mit oder ohne Markt - den Begriff und Auftrag einer sozialen Wirtschaftsweise gar nicht so unzutreffend: Die Lebensbedingungen einer Gemeinschaft aus der Kraft ihres Zusammenwirkens heraus auf Dauer für alle zu verbessern.

Einige Gedanken zu einem möglichen Eingriff in den Wiener Gemeindebau.

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