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Wenn das Land mit den meisten Muslimen wählt

Von Gunnar Stange

Gastkommentare
Gunnar Stange lehrt und forscht zu den Themen Flucht undVertreibungund Konflikttransformation am Institut für Geographie und Regionalwissenschaften der Universität Wien. Er ist Indonesienexperte und Mitherausgeber des "Handbuch Indonesien" (Horlemann Verlag, 2015).
© Gunnar Stange

In Indonesien sind knapp 193 Millionen Wähler aufgerufen, sich am 17. April zwischen mehr als 300.000 Kandidaten zu entscheiden.


Indonesien ist mit seinen mehr als 260 Millionen Einwohnern das viertgrößte Land der Welt und rangiert auf Platz 16 der weltgrößten Volkswirtschaften. Es ist Mitglied der Gruppe der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer und verzeichnet seit mehr als 15 Jahren ein stabiles Wirtschaftswachstum um die fünf Prozent.

Am 17. April wählt das Land mit der größten muslimischen Bevölkerung der Welt erstmals Präsidenten, Vizepräsidenten und Volksvertreter auf allen Verwaltungsebenen gleichzeitig. Knapp 193 Millionen Wähler sind aufgerufen, sich in mehr als 800.000 Wahllokalen zwischen mehr als 300.000 Kandidaten von 16 Parteien zu entscheiden. Sie konkurrieren um über 20.000 Sitze im National-, den 34 Provinz- und mehr als 500 Stadt- und Distriktparlamenten. Es werden bereits die fünften freien Wahlen des Landes seit 1998 sein. Damals hatten die Indonesier mit landesweiten Massenprotesten den über drei Jahrzehnte lang regierenden Diktator Suharto aus dem Amt gejagt.

Bereits 2014 lieferten sich die aktuellen Präsidentschaftskandidaten Joko "Jokowi" Widodo und Prabowo Subianto ein Kopf-an-Kopf-Rennen um das Präsidentenamt. Dabei ging es um die Frage, ob Indonesien seinen Weg der Demokratie fortsetzen oder wieder in die Diktatur zurückfallen würde. Jokowi galt damals als der Barack Obama Indonesiens - lupenreiner Demokrat und Pluralist, Anwalt der Schwachen und Verfechter der Menschenrechte. Er entschied das Rennen mit hauchdünnem Vorsprung für sich. Sein Rivale Prabowo Subianto, ehemaliger General und Schwiegersohn des Diktators Suharto sowie verantwortlich für zahlreiche Menschenrechtsverbrechen, stand und steht nicht nur sinnbildlich für das alte Regime. Seine ultranationalistische Rhetorik und seine Unterstützung in konservativen bis radikalen islamischen Kreisen lassen wenig Zweifel daran, dass Indonesien unter seiner Präsidentschaft ein Rückfall in autoritäre Strukturen drohen würde. Dennoch wünschen sich viele Indonesier die "Stabilität" der Diktatur zurück.

Nach der ersten Amtszeit Jokowis ist die ursprüngliche Begeisterung der Ernüchterung gewichen. Kritiker werfen ihm vor, der grassierenden Korruption nichts entgegenzusetzen und das Thema Menschenrechte zu ignorieren. Angriffe islamischer Hardliner, er sei zu unislamisch, konterte er mit der Nominierung des ultrakonservativen islamischen Klerikers Ma’ruf Amin zu seinem Vizepräsidentschaftskandidaten.

Derzeit sieht es nach einem deutlichen Vorsprung für den Amtsinhaber aus. Meinungsforscher sehen ihn bei einem Stimmenanteil von 58 Prozent, was vor allem mit der soliden wirtschaftlichen Entwicklung des Landes erklärt wird. Entschieden ist indes nur, dass Indonesiens Politik unabhängig vom Wahlergebnis in Zukunft noch stärker von konservativ-religiösen Kräften geprägt sein wird. Der Ausgang der Wahlen bleibt indes spannend. Zu vielfältig sind die Unbekannten in der Rechnung. Zum einen hat sich eine zahlenmäßig starke Nichtwählerbewegung gebildet, die beide Kandidaten ablehnt, und zum anderen verdeutlichen 86 Prozent Wechselwähler bei den Wahlen 2014, dass Wahlprognosen in Indonesien mit großer Vorsicht zu genießen sind.