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Scharia light in der U-Bahn, nein danke!

Von Christian Ortner

Gastkommentare

Die Idee der Geschlechtertrennung in den Öffis ist an Absurdität und Zynismus kaum zu übertreffen.


In diesen verworrenen Zeiten ist es manchmal ziemlich schwer, zwischen Realität, Satire und einer Episode aus einem endzeitlich gestimmten Roman von Michel Houellebecq zu unterscheiden. Das trifft zum Beispiel zu auf die jüngste Forderung einer Wiener FPÖ-Stadträtin, in der U-Bahn eigene Frauenwaggons einzuführen, deren Betreten Männern verboten sein soll. Also geradewegs so, wie das in den Metros von Dubai, Teheran oder Kairo üblich ist, um den Regeln des Islam zu folgen.

Begründet hat die Stadträtin ihre Forderung mit einem Mangel an Sicherheitsgefühl, das Frauen vor allem abends in den U-Bahnzügen empfinden würden. Sollte das, was ja durchaus möglich ist, wirklich so sein, dann ist eine erzwungene Trennung der Geschlechter im öffentlichen Verkehr die mit Abstand idiotischste Idee, die man dazu haben kann. Warum kommt die Frau Stadträtin nicht gleich auf den naheliegenden Gedanken, ihren Geschlechtsgenossinnen zu raten, sich doch bitte am besten nach islamischer Sitte vom Scheitel bis zu den Knöcheln zu verhüllen? Senkt ja auch irgendwie die Wahrscheinlichkeit, in der Nacht ungut angegangen zu werden. Oder gleich zu Hause zu bleiben, das hilft dann verlässlich gegen unerwünschte Begegnungen.

Nein - ein Rechtsstaat reagiert auf Situationen, in denen die Sicherheit in einem bestimmten Kontext nicht ausreichend gewährleistet ist, nicht, indem er die potenziellen Opfer diskret zur Seite räumt oder gar ihre Bewegungsfreiheit einschränkt. Sondern natürlich, indem er dem Recht wieder derart Geltung verschafft, dass das Gefühl der Unsicherheit verschwindet.

Im konkreten Fall heißt das: Wenn sich Frauen am Abend in der U-Bahn nicht sicher fühlen, muss zuerst die Ursache dessen erhoben und beim Namen genannt werden. Und in der Folge hat der Staat mithilfe seines Sicherheitsapparates dafür Sorge zu tragen, dass diese Ursachen ratzfatz beseitigt werden. Und wenn es sein muss, mit massivem Einsatz von Securitys und Polizei. Dass dies durchaus funktionieren kann, zeigt etwa das Beispiel New Yorks, wo ganz anders als im späten 20. Jahrhundert heute kein Mensch mehr Angst haben muss, wenn er (oder sie) des Nächtens U-Bahn fährt. Pensionierte New Yorker Cops erklären sicher gerne, wie man das macht.

Der verblasene Vorschlag der Stadträtin passt freilich leider bestens ins Bild einer Gesellschaft, in der Frauen und Männer an immer mehr Orten voneinander getrennt werden, auf Musikfestivals und in Schwimmbädern, in Garagen oder auf Campingplätzen. Das wird religiöse Fanatiker nicht nur muslimischer Couleur freuen, ist aber genau deshalb der falsche Weg. Denn dass Frauen und Männer sich den öffentlichen Raum absolut gleichberechtigt teilen, ist ein wesentlicher Verdienst aufklärerischen Denkens.

Wenn das nun teilweise preisgegeben wird und durch eine Art von Scharia light ersetzt werden soll, dann brennt der Hut wirklich lichterloh. Der säkulare und liberale Rechtsstaat schafft sich selbst ab und gibt sich vorher noch der Lächerlichkeit preis, wenn er sich dagegen nicht mit Zähnen und Klauen wehrt.