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Der Anfang vom Ende Erdogans?

Von Hülya Tektas

Gastkommentare

Den Republikanern in der Türkei gelang es bei den Kommunalwahlen dank der Unterstützung der prokurdischen HDP, Großstädte im Westen des Landes von der AKP zurückzugewinnen. Die Kurden selbst verloren aber insgesamt an Stimmen.


In der zentralistisch organisierten Türkei mag der Einfluss der Kommunalpolitik nicht sehr groß sein. Das Ergebnis der letzten Kommunalwahlen ist jedoch ein unmissverständlicher Denkzettel für die konservative AKP des Staatspräsidenten Erdogan. Diese Kommunalwahl kann als erste große Niederlage von Recep Tayyip Erdogan seit 1994 betrachtet werden. Erdogans Aufstieg begann damals, als er Bürgermeister von Istanbul gewählt wurde. Neben ausländischen Medien interpretieren sogar schon Erdogan-treue einheimische Medien das Wahlergebnis als "Anfang vom Ende von Erdogan".

Kriegsstrategie als sicherer Stimmenmagnet für die AKP

Die Kurden haben Wahlziele erreicht: Acht Stadtverwaltungen wurden von ihnen trotz massiver Einschränkungen und fast gar keiner Wahlwerbung aus Zwangsverwaltungen zurückgewonnen, was man als "eisernen Willen" der Kurden deuten kann. Was auch immer passieren mag, die zähe Hauptwählerschaft der Kurden bleibt der politischen Linie der HDP treu und nimmt Erdogans Kampfandeutungen, die von ihm bei seiner unverzüglichen Balkonrede kundgetan wurden, gelassen an. Anders kann man das erneute eindeutige Wahlergebnis wohl nicht interpretieren.

Die Wirtschaftskrise, in der die Türkei seit etwa einem Jahr steckt, war zweifelsohne einer der Gründe für den generellen Stimmenverlust von Erdogans AKP. Sollte die Türkei keine weitere Geldspritze aus Katar erhalten, wie es bei der schweren Devisenkrise im Sommer vergangenen Jahres geschah, muss die AKP freilich einen Plan B für die Wiedergewinnung dieser verlorenen Stimmen haben - und die Kriegsstrategie hat sich für die AKP als sicherer Stimmenmagnet bereits mehrmals bewährt. Es ist also mit weiteren Diffamierungen der Kurdenpolitiker als Terroristen und Separatisten zu rechnen, mit denen ihnen der legale Weg zur Politik weiterhin erschwert, ja sogar gänzlich versperrt werden soll.

Die durch die vielen Verhaftungswellen geschwächte HDP entschied sich, im Westen der Türkei nicht zu kandidieren, sprach sich allerdings selbst noch am Wahltag gegen die AKP aus und gab öffentlichwirksam bekannt, die Kandidaten der Republikanischen CHP zu unterstützen. Und genau das leistete sicherlich einen wesentlichen Beitrag am Sieg der CHP in den Großstädten Istanbul und Ankara.

Weiter gespanntes Verhältnis zwischen Türken und Kurden

Diese Tatsache jedoch fand mit keinem Wort in der Dankesrede von Kemal Kilicdaroglu, dem Chef der kemalistisch-nationalistischen CHP, Erwähnung. Wieder einmal wurden die Kurden im Stich gelassen oder einfach ignoriert - ein Abbild der allgemeinen Kurdenpolitik der Türkei, die unabhängig von der Couleur der türkischen Parteien verfolgt wird. Auch der Zugewinn an Stimmen bei der ultranationalistischen MHP deutet eher auf ein weiteres gespanntes Verhältnis zwischen den Türken und den Kurden hin.

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