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Dadaistischer Linkspopulismus

Von Christian Ortner

Gastkommentare

Dass Wahlslogans politischer Parteien aller Couleurs im Normalfall weder literarisch hochwertig noch intellektuell besonders anspruchsvoll sind und gelegentlich sogar dem Adressaten unterstellen, geistig minderbemittelt zu sein, gehört zur Normalität der Parteiendemokratie. Doch der SPÖ ist es nunmehr gelungen, selbst dieses gemeinhin übliche bescheidene Niveau noch einmal kräftig zu unterbieten, auch wenn das eigentlich denkunmöglich erscheint. Aber sie schaffte das: "Mensch statt Konzern" lautet der Slogan, mit dem die Sozialdemokratie dieser Tage in den EU-Wahlkampf startete.

Da stellen sich gleich mehrere Fragen. Zum Beispiel die, welcher Konzern da wohl gemeint sein könnte. Siemens etwa ist mit knapp 400.000 Mitarbeitern und mehr als 80 Milliarden Euro Umsatz ein klassischer Konzern, der auch in Österreich stark präsent ist. "Mensch statt Siemens" also - was will uns die SPÖ damit sagen?

Die Sache wird noch verwirrender, als es ja zwischen der SPÖ und Siemens so enge personelle Verbindungen gab und teilweise noch gibt, dass der Konzern unter Kennern der Lage auch als das "Gut Aiderbichl der Wiener SPÖ" gilt, wo verdiente Genossen nach ihrem politischen Wirken komfortabel unterkommen. Das war bei der ehemaligen Staatssekretärin Brigitte Ederer so, und das war bei der ehemaligen Stadträtin Sonja Wehsely so, die aus der Wiener Stadtregierung zu Siemens wechselte. Dass Wehsely privat mit dem SPÖ-Spitzenkandidaten für die EU-Wahl, Andreas Schieder, liiert ist, macht dessen Wahlslogan nur noch seltsamer. "Mensch statt Konzern, in dem meine Lebensgefährtin ganz gutes Geld verdient" hat möglicherweise gewisse dadaistische Qualitäten - andere erschließen sich freilich eher nicht.

Ganz abgesehen davon, was dem ominösen "Konzern" von der SPÖ vorgeworfen wird, bleibt ebenso rätselhaft. Stößt sich die SPÖ daran, dass Pharmakonzerne lebensrettende Medikamente herstellen, dass Autokonzerne private Mobilität ermöglichen und Digitalkonzerne den Zugang zum Internet? Was ist so verwerflich daran, dass der VW-Konzern 650.000 Menschen Arbeit bietet, zum größten Teil noch dazu hochqualifizierte? "Mensch statt VW" ist als Wahlslogan ungefähr so sinnstiftend wie "Hund statt Knochen". Außer natürlich, wenn die SPÖ Konzerne wie VW oder Siemens abschaffen wollte, was wir aber nicht annehmen können; nicht zuletzt des "Gut Aiderbichl"-Faktors wegen.

Zu befürchten ist viel eher, dass die roten Wahlwerber in klassischer linkspopulistischer Manier einen Sündenbock erschaffen, der sich politisch ertragreich bewirtschaften lässt. Und weil das Bild vom geldgierigen Raffzahn mit charakteristischer Nase aus bekannten Gründen nicht mehr so gut verwendbar ist, werden halt ersatzhalber irgendwelche üblen Kapitalisten in Gestalt der "Konzerne" zu Antagonisten von "Mensch". Die Mechanik ist die gleiche, neu sind nur Kostüm, Ausstattung und Dekoration.

Dass dabei Unternehmertum und Industrie, also die zentralen Wohlstandstreiber, bespuckt und diskreditiert werden, dürfte Schieder und Genossen herzlich egal sein. Und wenn’s trotzdem nicht klappt, wird Siemens schon irgendeine Verwendung für die "Mensch-statt-Konzern"-Genossen haben.