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Kaiserschmarren-Köchin aus Leidenschaft

Von Talya Lador-Fresher

Gastkommentare

Israels Botschafterin Talya Lador-Fresher weiß auch, wo man in Wien die besten Apfelstrudel findet.


Wien. Während meiner Kindheit in Israel war Essen kein Thema, das besondere Aufmerksamkeit erhalten hätte. Mein Vater war Überlebender des Holocaust, und meine Mutter war schon froh, dass in ihrer Familie während der schweren Zeiten, unmittelbar nach der Staatsgründung, überhaupt etwas auf dem Tisch stand. Als sich dann die Situation im Laufe der 1960er Jahre langsam verbesserte und es eine Vor-, eine Haupt, und eine Nachspeise gab - was war das für ein Luxus!

Dass Essen nicht nur dazu dient, die Ernährung der Bevölkerung sicherzustellen, sondern auch ein kulinarisches Erlebnis sein kann, entdeckte man erst ein paar Jahre später.

Von allen typisch österreichischen Speisen kennt man in Israel das Wiener Schnitzel am meisten. Wenn ich Gäste in Wien zu Besuch habe, können Sie also raten, in welches Lokal wir gehen "müssen", was dann dort bestellt und mit großem Genuss gegessen wird. Mit Fleischgerichten habe ich persönlich nicht viel am Hut, das ist nicht meine Welt. Aber in das Universum österreichischer Kaffeehäuser bin ich tief vorgedrungen: mit Apfelstrudel, Kaiserschmarren und meiner geliebten Fächertorte im Café Demel habe ich mich intensiv beschäftigt. Ich besitze übrigens eine geheime Liste, wo man die besten Apfelstrudel in Wien finden kann, doch dieses Geheimnis werde ich nicht verraten.

Womit ich allerdings meine Gäste immer überrasche, ist der berühmte Kaiserschmarren. Jedes Mal, wenn ich ihn bestelle, bedanke ich mich beim Bäckermeister von Kaiser Franz Joseph dafür, dass er aus einer misslungenen Palatschinke ein so herrliches Gericht zauberte.

Im Vergleich zu seinen Nachbarn Deutschland oder Italien ist Österreich ein kleines Land. Aber Israel ist, bei gleicher Bevölkerungsanzahl, von der Fläche her noch kleiner - gerade einmal so groß wie Niederösterreich. Aus diesem Grund gibt es dort auch keine regionale Küche. Was ich an Österreich sehr schätze, ist, dass jedes Bundesland seine eigenen kulinarischen Spezialitäten hat. Leider reicht der Platz hier nicht, um alle meine regionalen Lieblingsspeisen anzuführen. Als Beispiele seien die schmackhaften Linzertorten in - natürlich - Linz, die deftigen Tiroler Kaspressknödel und die das Frühstück versüßenden Vorarlberger Riebel genannt.

Die Kulinarik ist auch an meinem Arbeitsplatz präsent. Ich habe ein Mousepad geschenkt bekommen, auf dem ein Schnitzel in einem Pitabrot dargestellt ist (ein originelles Geschenk, ich weiß). Und eigentlich beschreibt dieses Bild auch gut meine Zeit hier in Wien: den Versuch, das Beste aus zwei Welten zu vereinen. Einmal habe ich es auch geschafft, die israelische Küche in die schneebedeckten Alpen zu bekommen. Das Team vom Lokal "Miznon" in Wien hat im Hochzillertal gekocht. Ich bin schon gespannt, in Tel Aviv den neuen österreichischen Eisladen zu besuchen und die Geschmacksrichtung "Sachertorte" zu kosten.

Ich werde also auch nach dem Ende meiner Dienstzeit nicht auf den liebgewonnenen Geschmack Österreichs verzichten müssen.

Diplomaten haben viel zu erzählen über die Eigenarten und Kultur ihrer Gastländer. Genau das machen Talya Lador-Fresher, Israels Botschafterin in Wien, und Martin Weiss, Österreichs Botschafter in Tel Aviv, für die "Wiener Zeitung" – und unterstreichen damit die hervorragenden Beziehungen der beiden Staaten. Den Auftakt macht auf Seite 16 ein persönlicher Blick auf die unterschiedlichen kulinarischen Traditionen. Fortsetzung folgt.