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Pakistan zwischen Geopolitik und Krisenmanagement

Von Walter Feichtinger und Markus Gauster

Gastkommentare

Pakistans neuer Premier Imran Khan gilt seit seiner Wahl im Juli 2018 als Hoffnungsträger. Er verfügt jedoch nur über einen geringen Handlungsspielraum, um sicherheitspolitische, wirtschaftliche und soziale Probleme zu lösen. Effektives Krisenmanagement zur Bekämpfung der Staatsschuldenkrise, der Korruption und der Arbeitslosigkeit kann Khan nur in Abstimmung mit dem pakistanischen Establishment (Armee und Technokraten) betreiben. Sicherheitsbelange haben oberste Priorität, was bei der Verteilung von Budgetmittel von großer Bedeutung ist. Nur 1 Prozent des Budgets wurde bisher dem Bildungsbereich zugeordnet, was zu einem eklatanten Mangel an Facharbeitern geführt hat. Khan hat zudem eine leere Staatskassa übernommen und ist auf Hilfskredite angewiesen.

Trotz Rohstoffreichtums konnte das Land mit mehr als 210 Millionen Einwohnern seine Feudalismusstrukturen bisher nicht überwinden. Christen, Schiiten und andere Minderheiten stehen in Pakistan - wie in vielen asiatischen Ländern und beim Nachbarn Indien - unter steigendem Verfolgungsdruck. Armut und Analphabetenrate sind hoch, was die Attraktivität der von Saudi-Arabien unterstützten Koranschulen (Madrasas) mit radikalem Einschlag steigen lässt.

Die Kaschmir-Frage dominiert die pakistanische Außenpolitik

Der Konflikt zwischen den Atommächten Indien und Pakistan ist von relativ niedriger Intensität und wird von ideologisch-religiösen Differenzen (Muslime und Hindus), Ressourcenfragen (etwa Wasser) und Ansprüchen auf das gesamte Kaschmir-Territorium (rund 275.000 Quadratkilometer mit 31 Millionen Einwohnern) bestimmt. Dazu kommen die wachsenden Unabhängigkeitsbestrebungen der indigenen Kaschmiris selbst, die dazu führen, dass sich immer mehr junge Muslime militanten Gruppen in der Region anschließen und einen eigenen Staat "Kaschmir" fordern. Seit der Gründung Pakistans 1947 ist das ehemalige Fürstentum Kaschmir durch eine Demarkationslinie geteilt. Der brüchige Waffenstillstand wird von Militärbeobachtern der UNO überwacht.

Indien wirft Pakistan vor, islamistische Terrorgruppen (Lashkar-e-Taiba, Jaish-e-Muhammad) dabei zu unterstützen, Anschläge auf indische Sicherheitskräfte zu verüben und Muslime zu radikalisieren. Pakistan sieht in der Kaschmir-Frage einen Konflikt, in dem sich die UNO stärker einsetzen sollte, und kritisiert Indiens starke Truppenpräsenz im Kaschmir-Tal (mehr als 500.000 Sicherheitskräfte, um weniger als 7 Millionen Kaschmiris zu kontrollieren) sowie exzessive Übergriffe auf Zivilisten (etwa mit Pellets-Gewehren). Die Regierung in Delhi rechtfertigt ihr Vorgehen mit der Bekämpfung von Terrorismus und Extremismus.

Jüngste Anschläge auf indische Sicherheitskräfte und Luftraumverletzungen in Kaschmir im Februar 2019 sind als oberste Eskalation einzustufen und vor allem im Konnex mit dem aktuell laufenden Wahlkampf in Indien zu sehen. Der amtierende Regierungschef Narendra Modi muss "auf starke Worte und Taten" setzen, um wiedergewählt zu werden. Die Gefahr umfangreicher konventioneller oder gar atomarer Angriffe ist zwar gering, aber es gibt keine Garantien.

Spannungen mit demNachbarn Afghanistan

Die Spannungen zwischen den Nachbarländern Afghanistan und Pakistan sind nach wie vor gravierend. Afghanistan beschuldigt Pakistan, die kriegerischen Auseinandersetzungen in Afghanistan zu fördern. Das gegenseitige Misstrauen ist tief verwurzelt. Seit 2018 versucht Pakistan, durch den Bau von Grenzzäunen entlang der Durand-Linie für mehr Sicherheit zu sorgen. Diese Grenze hat Afghanistan jedoch niemals anerkannt.

Pakistan war lange ein Einwanderungsland und hat bis zu 7 Millionen Afghanen aufgenommen (vor allem seit 1979). Heute leben etwa 1,5 Millionen registrierte und mindestens 1 Million nicht registrierte Afghanen in Pakistan. 75 Prozent von ihnen sind in Pakistan geboren, haben jedoch aus unterschiedlichen Gründen kein Anrecht auf die Staatsbürgerschaft. Aufgrund der sich verschlechternden Wirtschaftslage steigt der Migrationsdruck. Neben Afghanen machen sich auch immer mehr Pakistanis auf den Weg nach Europa.

Chinas neue Seidenstraße als strategischer Wendepunkt?

Geopolitisch wird Pakistan immer mehr zum Schauplatz eines geopolitischen Ringens. China, USA und Russland rittern um Einfluss, Ressourcen und regionale Dominanz. Auch die Golfstaaten, vor allem Saudi-Arabien, unterstützen ihren "Klientenstaat" Pakistan als ihren religiös-ideologischen Erfüllungsgehilfen. Pakistans Unterstützung der USA im "Kampf gegen den Terror" nach 9/11 hat zehntausende Opfer gefordert. Das Land büßte mehr als 100 Milliarden US-Dollar an Wirtschaftskraft und Investments ein. Zudem schwenken die USA immer mehr in Richtung einer Allianz mit Pakistans Erzrivalen Indien.

China nutzt diese Entwicklungen und positioniert sich als strategischer Partner. Mit dem "China-Pakistan Economic Corridor" (CPEC) als Teil der "Belt and Road Initiative" (neue Seidenstraße) wurde 2013 ein Paradigmenwechsel für Pakistan eingeleitet. Mehr als 40 Milliarden US-Dollar sollen in Pakistans schwachen Infrastruktur- und Energiesektor investiert werden. China kann sich dadurch Transportwege, Häfen und Stützpunkte sichern. Der CPEC soll Arbeitsplätze für Pakistanis (62 Prozent sind unter 30 Jahre) bringen. Es sind aber auch gut 130.000 chinesische Facharbeiter im Einsatz - Tendenz steigend. Chinas Kredite verstärken zudem die langfristigen Abhängigkeiten Pakistans. Indien und die USA sehen den CPEC mit Argwohn, da ihre strategischen Handlungsoptionen abnehmen.

Religiöser Extremismus gilt als größte Gefahr für die Region

Der Kaschmir-Konflikt wird weiterhin das politische Handeln Pakistans prägen, Premier Khan tritt für politische Lösungen ein. Zugeständnisse oder vertrauensbildende Maßnahmen sind aktuell jedoch weder von Pakistan noch von Indien zu erwarten. Mit weiteren (sub-)konventionellen Auseinandersetzungen ist zu rechnen. Khan wird es schwer haben, Pakistan als aufstrebendes und gemäßigtes Land zu positionieren - auch, weil religiöser Extremismus als größte Gefahr für die Region gilt.

Aus europäischer und österreichischer Sicht sollten friedliche Bemühungen Pakistans durch vertrauensbildende Maßnahmen und De-Radikalisierungsprogramme unterstützt sowie Freihandelsabkommen in Betracht gezogen werden. Speziell in den Bereichen Erneuerbare Energie, Abfallwirtschaft und Tourismus sind Potenziale für Kooperationen vorhanden. Schließlich bietet Pakistan durch Chinas neue Seidenstraße langfristig mehr Chancen als Risiken für Investoren.

Trotz Rohstoffreichtums konnte das Land seine Feudalismusstrukturen bisher nicht überwinden.