Eve Ensler begründete 1998 den "V-Day", den Internationale Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen. - © Monika Stahl
Eve Ensler begründete 1998 den "V-Day", den Internationale Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen. - © Monika Stahl

Die Hälfte der Menschheit, demografisch gesehen sogar etwas mehr, sind Frauen, und erst durch die Teilnahme von Frauen in Gesellschaft, Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Kultur entstehen Balance und Gleichgewicht. Sozialer Friede wird allein durch Balance erreicht, und ein Rechtsstaat beruht auf der Ausgeglichenheit und Ausgewogenheit der Kräfte, dafür steht Justitia mit der Waage sinnbildlich. Als Göttin der Gerechtigkeit weist sie mithilfe der Waage jedem/jeder den gerechten, ihm/ihr zustehenden Anteil zu. Sie tut dies unparteiisch, was die Augenbinde verdeutlicht, und mit der Härte, die nötig ist, um geschehenes Unrecht wiedergutzumachen und den Opfern gegenüber den Tätern, den Schwachen gegenüber den Starken zu ihrem Recht zu verhelfen; dafür steht das Richtschwert.

Die drei Attribute der Justitia - Augenbinde, Waage und Schwert - sollen also versinnbildlichen, dass das Recht ohne Ansehen der Person und nach sorgfältiger Abwägung der Sachlage gesprochen und schließlich mit der nötigen Härte durchgesetzt wird. Das alles tut Justitia wie selbstverständlich als Frau, in der römischen Mythologie oft als Jungfrau, und schafft dadurch allein durch ihre Sichtbarkeit und Körperlichkeit, die Waage merklich in Richtung Gleichheit und Gleichwertigkeit der Geschlechter zu verschieben. Wie aber schaffen wir Balance in unserer heutigen Zeit und Gesellschaft, nicht nur in der Justiz, sondern in allen gesellschaftlichen Schichten und Bereichen? Was muss getan werden, um Gleichgewicht zwischen den Geschlechtern herzustellen, besonders auch auf jenen Gebieten, in denen Frauen noch oder nur wenig repräsentiert sind?

Judith Kohlenberger ist promovierte Kulturwissenschafterin und forscht am Institut für Sozialpolitik der Wirtschaftsuniversität Wien. - © Katharina Gossow
Judith Kohlenberger ist promovierte Kulturwissenschafterin und forscht am Institut für Sozialpolitik der Wirtschaftsuniversität Wien. - © Katharina Gossow

Berufsfelder "außer Balance"

Neben der Politik sind auch viele andere Berufsfelder immer noch "außer Balance": Muss man einerseits männliche Kindergartenpädagogen mit der Lupe suchen, sind andererseits Berufspilotinnen rar. Dabei stehen etwa Flugpionierinnen wie die US-Amerikanerin Amelia Earheart und die deutsche Langstreckenpilotin Elly Beinhorn, die in einer aktuellen Ausstellung im Bezirksgericht Meidling gewürdigt werden, stellvertretend für die vielen Leistungen und Erfolge, die historisch, aber auch gegenwärtig Frauen auf der ganzen Welt erkämpfen, oft unter Einsatz ihres Lebens.

Justitia (hier ein Relief von Monika Stahl in der Ausstellung "Frauen schaffen Balance") ist eine Frau - das sollte dem männlichen Teil Gesellschaft zu denken geben. - © Monika Stahl
Justitia (hier ein Relief von Monika Stahl in der Ausstellung "Frauen schaffen Balance") ist eine Frau - das sollte dem männlichen Teil Gesellschaft zu denken geben. - © Monika Stahl

Wie aber können wir alle, auch ohne Flugzeuge und Kampfjets, zu mehr Balance beitragen? Die Erfahrung hat gezeigt, dass Quoten notwendig sind, alleine aber nicht ausreichen, um Macht tatsächlich fair zu teilen. Schon die Definition dessen, was Weiblichkeit und Männlichkeit bedeuten, ist Ausdruck eines eklatanten Ungleichgewichts, das sich im herrschenden Patriarchat als quasi "natürlich" verfestigt hat.