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Schuleschwänzen als taktische Waffe gegen den Klimawandel

Von Clemens M. Hutter

Gastkommentare
Clemens M. Hutter war Chef des Auslandsressorts bei den "Salzburger Nachrichten".

Greta Thunbergs Generation will "nicht für eine Zukunft lernen, die nicht lebenswert ist". Hätte nur sie gewählt, hätten die Grünen gewonnen.


Im Ergebnis der EU-Wahl steckt ein erhellendes Detail: Wären nur Personen unter 30 Lebensjahren wahlberechtigt gewesen, dann hätten die Grünen weit vor Konservativen und Sozialdemokraten gewonnen. Des Rätsels Teillösung heißt Greta Thunberg. Die 16-jährige schwedische Schülerin schwänzte vor einem Jahr den Unterricht und nahm stattdessen vor dem Schwedischen Reichstag mutterseelenallein Platz mit einem Plakat "Schulstreik für das Klima". Dramatische Folge: Im März beteiligten sich schon mehr als eine Million Schüler an rund 2000 Standorten in 125 Staaten an diesem "globalen Streik für die Zukunft".

Thunberg begründete ihr Schuleschwänzen so: "Man braucht nicht für eine Zukunft zu lernen, die (wegen des Klimawandels) nicht lebenswert ist." Schließlich werde der Klimawandel die Jungen einmal härter treffen als ihre Eltern. Zudem unterstützen 26.000 Wissenschafter das Anliegen der Schüler. Heute läuft der Protest unter der Parole "Freitag für die Zukunft". Natürlich hagelte es Proteste: Schüler sollten nicht während der Schulzeit, sondern in der Freizeit am Nachmittag streiken. Das offenbart Thunbergs psychologisch cleveres Kalkül: Der Zweck des Streiks während der Schulzeit fällt auf, nicht aber in der Freizeit, weil er dann gegen kein Gesetz wie die Schulpflicht verstoßen würde.

Eine Folge des Klimawandels, den wir auch durch unbedachtes Verpesten der Luft begünstigen, ist die Massenflucht aus Afrika und Nahost in kühlere und friedliche Regionen Europas. Die rechtspopulistischen Verteidiger Europas ersannen dafür den unintelligenten Schreckbegriff "Bevölkerungsaustausch". Soll heißen, dass Millionen Muslime die Herrschaft über Europa durch Massenansturm an sich reißen. Penibel vernebelt wird aber die logische Gegenrechnung: Für einen echten "Austausch" müssten Millionen Europäer nach Afrika abgeschoben werden. Muslime, Afrikaner oder Araber sind jedenfalls für Rechtspopulisten und verschreckte Personen die gefährlichsten "Feinde" der braven Europäer. Daher leuchtet es ein, die Außengrenzen der EU dichtzumachen und Asylanten wieder nach Hause zu schicken.

Hier offenbart sich ein strukturelles Problem der Europäischen Union. Griechenland und Italien quellen über vor Flüchtlingen, denen die Rechtspopulisten andichten, dass sich in diesen Massen Terroristen, Diebe oder Vergewaltiger tarnen. Also wehrt sich zum Beispiel Ungarn gegen Quoten, nach denen Flüchtlingen aus Italien oder Griechenland auf die EU-Staaten fair verteilt werden könnten.

Hier endet auch das politische Latein der EU: Quoten lassen sich nicht durchsetzen, weil es dafür einstimmiger Beschlüsse der 28 EU-Staaten bedürfte. Ungarn oder Polen brächten aber mit ihrer Gegenstimme Quoten zu Fall. Ebenso wenig kann die EU die Unterstützung für diese beiden Staaten einstellen, die seit ihrer Aufnahme in die EU vor nunmehr 15 Jahren immerhin
102 Milliarden beziehungsweise
56 Milliarden Euro ausmachte und etwas Wohlstand bescherte.

Das geschieht auch, weil wir Europäer mit drei Identitäten leben: Die erste heißt Heimat und umfasst eine kleine Region. Man ist eben Wachauer, Innviertler oder Montafoner - Punkt. Die zweite Identität steht im Reisepass, definiert durch die Staatsbürgerschaft in Österreich, Deutschland oder Schweden. Im Vergleich zur Heimat hat die Staatsbürgerschaft kaum eine emotionale Bindung. Die dritte Identität wird nicht einmal in Südamerika oder Fernost angesprochen, denn wir stellen uns dort weder als "Europäer" noch als "Grazer" vor, sondern als "Austrians" (aufgebessert durch "Sound of Music").

Europa ist also weit entfernt von "Vereinigten Staaten" wie den USA. Deren Bewohner stellen sich als "Americans" vor und fügen dann hinzu, dass sie aus "Paris/Texas" oder "Frankfort/Kentucky" kommen.

Clemens M. Hutter war Chef des Auslandsressorts bei den "Salzburger Nachrichten".