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Die EU muss zusammenhalten und zusammenwachsen

Von Andreas Raffeiner

Gastkommentare

Hoffentlich werden die Warnrufe des scheidenden EU-Kommissionspräsidenten Juncker gehört.


Vor der EU-Wahl und auch jetzt danach warnen viele davor, die Zukunft des Kontinents und der Europäischen Union den Euroskeptikern, den Nationalisten oder den Rechten zu überlassen. Man möchte eine Institution, die letzthin oftmals am Volk vorbeiregiert hat und durch einige Lobbyisten beinahe kaputtgemacht wurde, reanimieren, entstauben und zukunftssicher gestalten.

Kann das gelingen? Die Klagerufe des EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker dürfen nicht überhört werden. Irgendwie haben sie ihre Berechtigung. Denn wäre in der Europäischen Union alles eitel Sonnenschein, würde man nicht stöhnen, sondern die "Ode an die Freude" anstimmen oder wäre einfach glücklich. Die nationalen Regierungen neigen dazu, EU-Beschlüsse zu torpedieren oder nach Gutdünken zu missachten. Das Beschämende an dieser Doppelgleisigkeit ist dabei, dass man just diesen Beschlüssen in Brüssel zugestimmt hat.

Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán unterstellt der Europäischen Union allerhand Böses: Er sieht sie fast schon im Schleppermilieu unterwegs und wirft ihr koloniale Bestrebungen gegenüber kleinen Völkern vor. Möglicherweise hat Orbán einen Knick in der Optik, wenn er nicht erkennen kann, dass die ökonomischen Errungenschaften seines Heimatlandes größtenteils durch EU-Fördermittel und den nach wie vor funktionierenden Binnenmarkt zustandekommen.

Die Europäische Union muss zusammenhalten und zusammenwachsen. Auch muss die kleine Frau oder der kleine Mann, also das ganz gemeine Wahlvolk, die großen Zusammenhänge verstehen. 751 Frauen und Männer im EU-Parlament können nicht über die Zukunft von 512,6 Millionen Menschen entscheiden. Aber sie können Bürgen für eine sichere Zukunft sein. Die Populisten, die die EU als Feindbild hochstilisiert haben, warten nur darauf, an die Macht zu kommen. Dann könnte das europäische Friedensprojekt zerbrechen. Daher ist es wichtig, zu betonen, dass die Union trotz all ihrer Fehler und Schwächen ein Garant für unsere Freiheit und unseren Wohlstand ist. Der Staatenbund (um es salopp zu formulieren) muss zeigen, dass er den aus ungleichen Quellen genährten Unmut der Bevölkerung ernst nimmt. Erst dann kann Europa nach vorne blicken und neue Aufgaben angehen.

Bevor die neuen Aufgaben, von denen es jede Menge gibt, angegangen werden, muss man die alten festigen und dem Wahlvolk verständlich machen. Dabei geht es um ein sicheres und geschütztes Europa, in dem die Außengrenzen gesichert sind und eine nachhaltige Migrationspolitik zum Vorschein kommt. Ähnlich verhält es sich, wenn es um ein wohlhabendes Europa geht. Ein anhaltendes und fortwährendes Wachstum kann nur durch einen starken und stabilen Binnenmarkt gestärkt werden. Die soziale Komponente, in der Arbeitslosigkeit, soziale Ausgrenzung, Armut und Diskriminierung keinen Platz haben sollten, darf nicht fehlen. So kann Europa bestehende Beziehungen mit anderen Wirtschaftsgemeinschaften ausbauen und weiterentwickeln, neue Partnerschaften anpeilen und die kollektive Sicherheit und Verteidigung stärken.

Andreas Raffeiner befindet sich im Doktoratsstudium Geschichte an der
Universität Innsbruck und lebt als freiberuflicher Redakteur, Rezensent
und Referent in Bozen.