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Lassen wir doch die KI im Dorf

Von Reto Pazderka

Gastkommentare

Es liegt an uns, dass aus den Umbrüchen durch die Künstliche Intelligenz keine Verwerfungen werden.


Armageddon, gnadenlose Roboterherrscher oder gleich das Ende des Menschlichen an sich: Wenn es um Künstliche Intelligenz (KI) geht, ist für manche Experten kein Szenario düster genug. In dieser Technologie scheint eine Bedrohung mitzuschwingen. Denn Systeme, die Denkprozesse imitieren, konfrontieren uns mit grundlegenden Fragen über uns. Was macht Menschen aus? Was sind Kreativität oder Empathie? Wie viel von all dem können Softwareentwickler in Algorithmen gießen? Wir stehen am Anfang einer Entwicklung, deren Weg und Ergebnis noch nicht zu erkennen sind. Diese Unsicherheit regt die Fantasie an. So wird in den Spekulationen aus dem charmanten Chatbot von heute der allmächtige Algorithmus von morgen.

Erfrischend ist dagegen die Nüchternheit, mit der Großteile der Bevölkerung das Thema betrachten. Adesso befragte 1000 Verbraucherinnen und Verbraucher im deutschsprachigen Raum über ihre Einstellung und ihre Erwartungen rund um KI. Die überwältigende Mehrheit der Befragten (69 Prozent) glaubt, dass ihnen KI-Anwendungen Vorteile bringen. Für 83 Prozent steht fest, dass KI und Roboter ihnen in der Zukunft viele lästige Aufgaben abnehmen werden. Angst ist da nur wenig zu spüren. Eher Offenheit und Optimismus.

Ist das einfach das Resultat einer naiven Herangehensweise an das komplexe Thema? Ich bin davon überzeugt, dass das nicht so ist. Die Befragten sind keine Experten für KI, maschinelles Lernen oder das Designen von Algorithmen. Aber sie haben ein gutes Gespür für die Möglichkeiten, die sich ihnen eröffnen. Sie blicken hinter all den KI-Zauber und sehen einfach weitere Technologien mit Vor- und Nachteilen. Und mehrheitlich sehen sie die Chancen, die sich eröffnen. Ohne dabei die Risiken blauäugig zu ignorieren. Auch das ist ein Ergebnis der Umfrage: Ob und welche KI-Technologie Verbraucher dann wirklich einsetzen wollen, prüfen sie sehr genau. Ob der KI-gestützte Geldanlageassistent, der virtuelle Arzt oder der persönliche Assistent im Auto: Die Zustimmungsquoten zu solchen Gedankenspielen schwanken je nach Szenario stark.

Wo die Reise mit der KI hingeht, kann niemand seriös beantworten. Wer hätte vor zehn Jahren vorhergesagt, wie Smartphone und Apps unser Leben verändern? Irgendwann fahren Autos selbst, und die Maschinen in den Fabriken stimmen sich untereinander ab. Die Menschen werden weiterziehen, zu neuen Aufgaben. Aufgaben, die heute noch auf keinem Lehrplan stehen. Für die es noch nicht einmal Namen gibt. Es liegt an uns, diese Entwicklung so zu gestalten, dass aus diesen Umbrüchen keine Verwerfungen werden.

Zwei wichtige Voraussetzungen bringen wir mit: Erstens den Optimismus, das zeigt die Auswertung unserer Umfrage. Zweitens die Gewissheit, dass jede Technologie ihre Grenzen hat. Ein Pflegeroboter in einem Krankenhaus mag eines Tages jeden Handgriff optimal beherrschen. Aber er wird keine aufrichtig aufmunternden Worte
für den Patienten finden und den Genesungsprozess durch ein Lächeln unterstützen können.

Es bleibt Menschen vorbehalten, menschlich zu sein.

Reto Pazderka ist seit
Juli 2018 Geschäftsführer der Adesso-Landesgesellschaft in Österreich. Davor leitete er die CPB Software GmbH in Wien.