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Ein Plädoyer für den Klimanotstand

Von Lara Breyer

Gastkommentare
Lara Breyer ist Biologiestudentin in Wien und setzt sich bei "FridaysFor Future" für sinnvolle Klimapolitik ein.
© Christian Philipp

Es ist längst Zeit zu handeln. Dazu muss die Politik aber erst einmal eingestehen, dass wir uns in einem Klimanotstand befinden.


Ich muss kein "guter" Mensch sein, nicht besonders moralisch oder übertrieben selbstlos, um mich für Klimaschutz einzusetzen. Für mich steht meine Zukunft auf dem Spiel. Ich werde 2040, 2050 und 2070 ziemlich sicher erleben, doch wenn wir so weitermachen, weiß ich gar nicht mehr, ob ich das will. Denn wenn wir so weitermachen, wird die Welt, in der ich leben werde, in der ihr und eure Kinder und Kindeskinder leben werdet, geprägt sein von Dürren und Ernteausfällen, von Hitzewellen, Klimaflüchtlingen und massiven Naturkatastrophen.

Die Leute sagen mir oft, dass man die Auswirkungen der Klimakrise spüren müsse, bevor die Menschen handeln. Doch spüren wir sie nicht längst? Seit Jahren schreiben wir regelmäßig Temperaturrekorde, und Jahrhundertkatastrophen wie etwa Überschwemmungen gehören fast schon zum Alltag. In Österreich gab es in den Jahren 2013, 2015 und 2017 mehr Hitzetote als Verkehrstote, 2018 gab es, wegen der extremen Dürre, in der österreichischen Landwirtschaft Rekordschäden von 210 Millionen Euro, und auch 2013, 2015 und 2017 gab es beachtliche Ernteausfälle. Das Artensterben ist ohne effektiven Klimaschutz nicht mehr zu stoppen.

Ich höre Menschen sagen, dass man das Insektensterben merke, weil früher mehr Fliegen auf den Windschutzscheiben klebten, dass es keine richtigen Winter mehr gebe, mit Schnee wie früher, oder dass der Herbst und Frühling längst ausgestorben seien. Reicht das nicht?

Es ist längst Zeit zu handeln. Dazu muss die Politik aber erst einmal eingestehen, dass wir uns in einem Klimanotstand befinden. Zahlreiche Städte (Los Angeles, London, Vancouver, Basel, Kiel und viele mehr) haben schon den Klimanotstand ausgerufen. Es ist höchste Zeit, dass Wien folgt.

Der Klimanotstand ist kein juristischer Notstand, er setzt also keine demokratischen Prozesse außer Kraft, doch er ist auch keine leere Symbolpolitik. Mit dem Klimanotstand würde die Wiener Stadtregierung Klimaschutz als oberste Priorität anerkennen und sich dazu verpflichten, alle Regelungen auf ihre Klimaverträglichkeit zu überprüfen, beim Beschluss neuer Gesetze besonderes Augenmerk auf diese Aspekte zu legen und sich am aktuellen Stand der Wissenschaft zu orientieren. Weiters würde der Bürgermeister aufgefordert, die Öffentlichkeit alle sechs Monate über die aktuelle Lage zu informieren.

Der Klimanotstand ist eine Maßnahme, mit der die Dringlichkeit der Klimakrise anerkannt wird, er ist ein erster Schritt, auf den viele weitere folgen müssen. Das einzige Absurde an diesen Forderungen ist, dass sie überhaupt notwendig sind. Dass wir unsere Politikerinnen und Politiker unter massiven Druck setzen müssen, das zu tun, wozu sie sich schon vor Jahren in Paris verpflichtet haben. Dass wir uns für die Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels einsetzen müssen.

Jetzt nichts zu tun, und sich in der Zukunft mit Strafzahlungen und den Kosten der unmittelbaren Folgen der Klimakrise herumschlagen zu müssen, das ist absurd. Bezahlen werden wir so oder so müssen - entweder indem wir jetzt sinnvoll in effektive Klimaschutzmaßnahmen investieren, oder, wenn wir es nicht tun, mit unserer Zukunft. Die Folgen des Nichtstuns werden in jedem Fall teurer sein. Warum also nicht gleich?