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Geht in der Politik Optik über Inhalt?

Von Elisabeth Knabl-Struppe

Gastkommentare
© Felicitas Matern

Warum werden Frauen in Führungspositionen anders bewertet als Männer?


Seit der offiziellen Ankündigung unserer neuen Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein wurden in den Sozialen Medien viele Stimmen laut, die sich darüber freuten, dass endlich eine Frau an der Macht ist. Noch dazu wurden 50 Prozent der neuen Beamtenregierung mit Frauen besetzt. Eine Premiere für die Republik Österreich, die vielerorts durchaus positiv aufgenommen wurde. Die spontanen Reaktionen im Netz waren allerdings nicht ausschließlich erfreulich - gerade weil die Kanzlerin eine Frau ist. Was in den Online-Diskussionen oftmals unterging, waren Kompetenzen und tatsächliche Inhalte.

Dies ist durchaus kein Einzelfall: Frauen werden oft erst einmal aufgrund ihrer äußeren Erscheinung bewertet, und wenn die Optik oder der Stil einer Frau nicht zum Schönheitsideal der Kritiker passt, wird die Person angegriffen. Wenn sie im Auge der Betrachter attraktiv genug ist, wird die Optik positiv hervorgehoben und die Dame auf äußere Merkmale reduziert. Kommentiert wird die Optik fast immer. Nur bei Frauen wird schneller der mahnende Finger gehoben, wenn beispielsweise ästhetische Eingriffe vermutet werden - dabei ist das bei erfolgreichen Menschen, egal welchen Geschlechts oder Alters, nicht selten der Fall. Mit dem Unterschied, dass von Frauen häufiger erwartet wird, dass sie einem gesellschaftlich geprägten Bild von Attraktivität entsprechen.

Studien, die attraktiven Menschen bessere Karrierechancen prognostizieren, erhöhen den Druck weiter. Wobei die Ergebnisse dieser Studien bereits seit längerer Zeit unter Kritik stehen, da diese Erkenntnisse oftmals nicht der Wahrheit entsprechen. Trotzdem werden Menschen in Führungspositionen weiterhin auf Basis dieser Ideale bewertet. Eine straffe Haut, schlanke Figur, volle Lippen - wer das von Natur aus nicht hat, muss oft unschöne Kommentare über sich ergehen lassen. Wer jedoch etwas nachhilft, um erwarteten Idealen oder dem eigenen ästhetischen Empfinden gerecht zu werden, wird noch stärker kritisiert. Ein Dilemma, unter dem Frauen besonders leiden.

Doch wie kann man dieser Problematik entgegenwirken? Prinzipiell sollten Menschen die Freiheit haben, entscheiden zu dürfen, was sie mit ihrem Körper machen. Das persönliche Empfinden für Ästhetik und Schönheit ist nichts Universelles, und niemand ist in der Position, anderen zu sagen, was schön ist. Diskussionen über das Erscheinungsbild von Menschen sind in der Politik fehlplatziert. Es sollte um Inhalte und Kompetenzen gehen. Die Optik ist das Erste, was Menschen ins Auge fällt - sie sollte jedoch nicht das Erste sein, worüber die Leute sprechen und urteilen.

Bierleins Fall ist nur ein Beispiel von vielen, das erneut deutlich macht, wie Frauen online und in der realen Welt wahrgenommen werden. Obwohl das Verständnis für die Thematik wächst, haben erfolgreiche Frauen es immer noch schwer, von Kollegen ernstgenommen zu werden. Auch Diskussionen über die äußere Erscheinung oder mögliche chirurgische Eingriffe haben in einer fortschrittlichen Gesellschaft nichts verloren. Je mehr Menschen diesen Umstand begreifen, desto schneller wird sich auch an veralteten Frauenbildern etwas ändern.

Elisabeth Knabl-Struppe ist Geschäftsführerin der KMED-Institute für Ästhetische Medizin in Wien.