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Strom-Blackout durch E-Autos?

Von Raimund Wagner

Gastkommentare

Das Ende des fossilen Zeitalters verzögert sich - die Angst, dass ein Ausbau der Elektromobilität das bestehende Stromnetz überlasten könnte, ist allerdings unbegründet.


Österreich verfehlt seine Klimaziele deutlich, allein im Bundesland Salzburg werden im Jahr 2020 um rund eine Million Tonnen CO2 mehr als geplant ausgestoßen. Ein deutliches Zeichen, dass die Energiewende noch schneller vorangehen muss. Im Mobilitätsbereich steigt das Angebot an E-Autos kontinuierlich, und auch die wirtschaftliche Betrachtung eines E-Autos wird zusehends attraktiver - allein, die Akzeptanz bei den Autokäufern ist trotz der deutlichen auch in unseren Breiten erkennbaren Zeichen des Klimawandels noch überschaubar. Im Gegenteil - Horrorszenarien geistern durch die Medien und die Sozialen Netzwerke: "Wenn bald alle mit dem E-Auto fahren, bricht das Stromnetz zusammen! Und Ökostrom haben wir ebenfalls nicht genug!" Dies ist Anlass genug, sich mit der österreichischen Faktenlage auseinanderzusetzen.

Auf Österreichs Straßen sind wir mit einem Pkw-Bestand von rund fünf Millionen Fahrzeugen konfrontiert, wobei davon knapp mehr als 20.000 E-Autos (0,4 Prozent) sind. Jährlich werden um die 300.000 neue Fahrzeuge in den Markt geschoben. Der Anteil der Firmenautos liegt dabei deutlich über 50 Prozent, in Wien und der Stadt Salzburg sogar klar über 80 Prozent.

2025 könnten 9 Prozent aller Fahrzeuge E-Autos sein

Im Jahr 2018 wurden in Österreich rund 6200 neue E-Autos verkauft, womit sich der Bestand mit Jahresende auf etwa 20.500 Fahrzeuge erhöhte. Für 2019 kann mit einem Anteil von 3,5 Prozent an E-Autos unter allen verkauften Neufahrzeugen gerechnet werden und damit erstmals mit einer Anzahl im fünfstelligen Bereich. Die Modellpalette der Hersteller wird in den nächsten Monaten und Jahren spürbar erweitert. Beispielsweise stellt der Volkswagen-Konzern derzeit sein Werk in Zwickau komplett auf E-Autos um, noch im heurigen Jahr werden dort die ersten Autos der ID-Serie produziert. VW hofft, dass die Serie zum Klassiker unter den E-Autos wird, so wie es der Käfer und der Golf für den Verbrenner waren. Andere Autoproduzenten werden folgen - realistisch erscheint, dass bis 2025 ein Neuwagen-Marktanteil der E-Autos von mehr als 40 Prozent erreicht werden kann. Damit erscheint für das Jahr 2025 ein Anteil der E-Autos am gesamten österreichischen Fahrzeugbestand von rund 9 Prozent und mehr 451.000 Fahrzeugen prognostizierbar.

Ein erster Faktencheck zeigt, dass die Angst vor überlasteten Stromnetzen in diesem Zusammenhang unbegründet ist. Vielmehr zeigt sich, dass das bestehende Stromnetz kein Verhinderer der Elektromobilität ist, sondern sie überhaupt erst möglich macht. Wenn man bei den E-Autos von einer durchschnittlichen Jahreskilometerleistung von 12.000 Kilometern und einem durchschnittlichen Verbrauch von 15 Kilowattstunden auf 100 Kilometer ausgeht, ist leicht erkennbar, dass die zusätzlich benötigte Strommenge für E-Autos kein Problem darstellt. Auf Basis der prognostizierten Verkäufe dürfte der Mehrverbrauch durch die E-Autos 2025 nur 1,16 Prozent des österreichischen Gesamtstromverbrauches von 2019 betragen. Selbst bei einem 100-prozentigen Fahrzeugbestand mit E-Autos würde sich der Anteil am österreichischen Gesamtstromverbrauch auf rund 13 Prozent belaufen.

CO2-Emissionen werden deutlich reduziert

An der Dekarbonisierung, also dem Ausstieg aus fossiler Energie, führt kein Weg vorbei. Das gilt sowohl für die Stromerzeugung als auch für die Mobilität. Eine Stromerzeugung rein aus erneuerbaren Energien ist zwingend erforderlich, wenn die Klimaziele erreicht werden sollten. Das E-Auto ist derzeit die sinnvollste Alternative zum Verbrenner, weil es im Vergleich der Antriebskonzepte die effizienteste Nutzung von erneuerbaren Energiequellen ermöglicht. Mit 9 Prozent E-Autos im österreichischen Fahrzeugbestand - das wären 451.000 Fahrzeuge - könnten die CO2-Emissionen um gut 0,75 Millionen Tonnen im Jahr reduziert werden.

Die Energiebranche bereitet sich auf die Elektromobilität intensiv vor, weil sich die Mobilität für Energieversorger zu einem neuen Geschäftsfeld entwickelt. Dieser Wandel kommt nicht über Nacht, sondern zieht sich über mindestens ein Jahrzehnt. Die Herausforderung für die Energiewirtschaft ist überschaubar, vor allem wenn man bedenkt, wie und wo die Autos meist geladen werden, nämlich tagsüber am Arbeitsplatz oder nachts zu Hause. Und wer nicht die Möglichkeit hat, sich dafür eine Wallbox einzubauen, tankt Strom im Parkhaus oder vor dem Supermarkt.

Bei einer intelligenten Steuerung der Ladevorgänge pro Haushalt ist sogar der Um- oder Ausbau des bestehenden Energienetzes noch weiter aufschiebbar. Die Energiewirtschaft investiert zur Zeit viel in Erneuerbare Energie und in Ladeinfrastruktur. Auch der verstärkte Ausbau von Photovoltaik-Anlagen zur Eigenstromerzeugung leistet zur weiteren Verbreitung der Elektromobilität einen wichtigen Beitrag. Im Jahr 2018 betrug laut dem Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus der Anteil der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen am gesamten österreichischen Bruttostromverbrauch mehr als 72 Prozent. Mit einer weiteren Öko-Offensive soll der Anteil an erneuerbaren Energien am Stromverbrauch bis 2020 auf 85 Prozent steigen - eine europaweite Spitzenleistung.

Raimund Wagner gründete 2015 das Beratungsunternehmen Carsulting und
blickt auf 40 Jahre Erfahrug in der internationalen Autobranche zurück.
Seit 2016 ist er Mobilitätsberater des Landes Salzburg im Rahmen von
"umwelt service salzburg" sowie "klimaaktiv"-Kompetenzpartner. Er hat
auch den internationalen Fachkongress "Vernetzte Mobilität" entwickelt,
der das nächste Mal am 16. Jänner 2020 im Rahmen der Vienna Autoshow in
Wien stattfindet.