Unter den vielen Kommentaren, die jetzt über die kommenden Wahlen in Österreich verfasst werden, fehlt es an Reflexionen über tiefer liegende, gesellschaftliche Veränderungsprozesse, die das Wahlresultat Ende September beeinflussen werden. Für die quantitativ-analytische Politikwissenschaft gibt es hier neben ihren vielen anderen möglichen Instrumenten auch die Untersuchung der Trends im Internet. Diese Art der Betrachtung wird heute unter dem Namen "Webometrics" zusammengefasst. Eine solche einfache Trendanalyse lässt sich auch für die wichtigsten aktuellen und miteinander konkurrierenden politischen Akteure in Österreich durchführen.

Zur Methode: "Google Scholar" verzeichnet heute schon mehr als 13.000 "Webometrics"-Anwendungen, um Aussagen über Meinungen und Trends auf Basis von Abrufstatistiken aus dem Internet zu treffen. Ist eine derartige Untersuchung wirklich berechtigt? Nun, in Österreich liegt die Internet-Dichte bereits bei 87,8 Prozent (im Jahr 2000 waren es nur 26 Prozent), und nichts liegt näher, als solche Trendanalysen auch auf politische Prozesse anzuwenden.

Wikipedia reflektiert die heutige Diversität
Eine besonders einfache, "handgestrickte" und dennoch vielsagende Analysemöglichkeit beruht auf den Abrufstatistiken von Wikipedia. Die am 15. Jänner 2001 gegründete freie Online-Enzyklopädie ist mittlerweile zu einem gewaltigen internationalen Faktor geworden und beinhaltet heute auch Artikel zu praktisch allen wichtigen Entscheidungsträgern der österreichischen Politik. Wikipedia lag im September 2018 laut eigenen Angaben auf Platz fünf der am häufigsten besuchten Websites der Welt. Ihre 49,3 Millionen Artikel in annähernd 300 Sprachen sind deshalb auch eine Fundgrube für die Politikanalyse in Österreich, gerade auch vor der kommenden Nationalratswahl.
Mit dem in Wikipedia verfügbaren und sehr einfach zu bedienenden Abrufstatistik-Programm lassen sich sehr anschaulich gesellschaftliche Trends in der Welt zusammenfassen. Auf den deutschsprachigen Seiten befinden sich die Links zu den Abrufstatistiken jeweils am unteren Ende der Artikel. Was viele vielleicht als einen methodischen Fehler der vorliegenden Analyse betrachten, ist in einer globalisierten Welt allerdings auch ihr Vorteil: Das System gestattet es nicht, festzustellen, wo genau die Aufrufe der verschiedenen Sprachversionen von Wikipedia-Artikeln getätigt wurden, ob in Gloggnitz in Niederösterreich oder im fernen Norilsk in Sibirien. Das wiederum lässt das globale Echo auf die Tätigkeit einer politischen Persönlichkeit, je nach Sprache des Artikels, erkennen, und die Methodik umfasst damit natürlich auch die auch an den Wahlurnen immer wichtiger werdenden Auslandsösterreicherinnen und Auslandsösterreicher.