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Diskrepanz am Arbeitsmarkt

Von Christian Umbs

Gastkommentare
Christian Umbs ist Managing Director bei Robert Half, einem weltweit tätigen Personaldienstleister für Fach- und Führungskräfte im Finanz- und Rechnungswesen, IT sowie Assistenz- und kaufmännische Berufe (www.roberthalf.at).
© Dirk Beichert

Mitarbeiter verzweifelt gesucht - die Jobsuche wird dennoch immer schwieriger.


Wir hören von immer mehr österreichischen Unternehmen, dass der Fachkräftemangel akuter werde. Es gibt jede Menge offene Stellen am Arbeitsmarkt. Das sollte es für wechselwillige Arbeitnehmer einfach machen, einen neuen Job zu finden. Doch das Gegenteil scheint der Fall zu sein: Die Jobsuche und das Finden des passenden Angebots werden nach Einschätzung von Arbeitnehmern immer schwieriger.

Das Marktforschungsinstitut YouGov hat vor kurzem im Auftrag des Personaldienstleisters Robert Half 251 Arbeitnehmer in Österreich dazu befragt. Das Ergebnis erstaunt angesichts der Lage am Arbeitsmarkt: Fast zwei Drittel der Befragten (62 Prozent) gaben an, dass es heute schwieriger als vor fünf Jahren sei, einen passenden Job zu finden. Diese Einschätzung wird zudem durch die Dauer der Stellensuche bestätigt: Mehr als ein Viertel der Befragten (27 Prozent) hat für den vergangenen Stellenwechsel bis zu drei Monate benötigt. 12 Prozent suchten zwischen drei und sechs Monaten nach einem neuen Job, und bei einem weiteren Viertel (23 Prozent) dauerte es mehr als ein halbes Jahr. Wie kann das sein, wo doch Unternehmen verzweifelt nach qualifizierten Mitarbeitern suchen?

Sorge vor schlechteren Rahmenbedingungen

Den primären Grund für die schwierigere Jobsuche sehen die Arbeitnehmer in der Verschlechterung der Rahmenbedingungen. Sie befürchten, sich in einem neuen Job mit weniger Urlaubstagen, befristeten Arbeitsverträgen oder weniger attraktiven Benefits zufriedengeben zu müssen. Selbst wenn die Rahmenbedingungen stimmen, unterscheiden sich die Vorstellungen über die Höhe des Gehalts zwischen Jobsuchenden und Unternehmen sehr häufig.

Außerdem wissen wir aus unseren zahlreichen Gesprächen mit Bewerbern, dass auch die Digitalisierung viele Wechselwillige verunsichert. Durch die Digitalisierung entsteht zwar eine ganze Reihe neuer Stellen. Viele Arbeitnehmer tun sich aber schwer damit, die sich verändernden Anforderungen dieser Jobs zu erfüllen oder die Erwartungen daran richtig einzuschätzen. In diesem Zusammenhang spielt auch die Konkurrenz unter den Generationen eine große Rolle. 31 Prozent der Arbeitnehmer glauben, jüngere Bewerber hätten als Digital Natives einen Vorteil bei der Jobsuche und den gesuchten Qualifikationen.

Trotz Unzufriedenheitkein Wechselwille

Da die Jobsuche als immer schwieriger angesehen wird und sie eine Verschlechterung bei den Arbeitsbedingungen befürchten, zögern viele Arbeitnehmer, sich nach einer neuen Stelle umzuschauen - auch wenn sie in ihrer aktuellen Position unglücklich sind. In unserer Befragung haben wir festgestellt, dass ein Viertel der österreichischen Befragten in der Arbeit unglücklich ist. Besonders erschreckend dabei ist: Nur die Hälfte von ihnen bemüht sich aktiv um einen neuen Job.

Gründe für Unzufriedenheit im Job gibt es viele - Probleme mit dem Chef, fehlende Anerkennung oder Stress. Problematisch wird es, wenn die negative Stimmung zum Dauerzustand wird. Das Ausharren an einem ungeliebten Arbeitsplatz kann somit gravierende Folgen haben. Durch die anhaltende Unzufriedenheit wird die Arbeit zur Belastung und zum permanenten Stressfaktor. Die Folge kann im schlimmsten Fall ein Burnout oder Boreout sein. Auch für die Unternehmen gehen damit Risiken einher: Greift der Frust der Unzufriedenen auf andere Mitarbeiter über, kann sich das negativ auf die Produktivität des gesamten Teams auswirken. Hohe Unzufriedenheit im Unternehmen muss daher ein Alarmsignal für jede Führungskraft sein.

Ist ein Jobwechselwirklich so schwierig?

Es gilt also, Lösungen für beide Seiten zu finden. Wir raten: Arbeitnehmer sollten sich nicht nur auf ihre Einschätzung verlassen, sondern verifizieren, ob sich die Bedingungen für sie tatsächlich verschlechtern würden. Über Business-Netzwerke lassen sich entsprechende Informationen zu Jobangeboten und Arbeitgebern einholen. Auch Weiterbildungen und Jobcoachings helfen, fitter für den Arbeitsmarkt zu werden und Unsicherheiten zu beseitigen. Außerdem können professionelle Personalvermittler wertvolle Hilfe leisten. Mit gezielten Interviews und Angeboten unterstützen sie dabei, die passende Stelle für einen Bewerber zu finden. Die Unternehmen wiederum sollten größeres Augenmerk auf die Situation der Arbeitnehmer legen, denn die Probleme bei der Jobsuche sind bisher kaum ein Thema in der öffentlichen Debatte. Verkürzte Bewerbungsverfahren und eine klare Kommunikation der Rahmenbedingungen könnten die Situation entschärfen. Interne Veränderungen und gelebte Wertschätzung, die zu einer Verbesserung der Zufriedenheit und Motivation führen, würden auch so manche offene Stelle vermeiden.