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Grundsatzfragen zur künftigen EU-Sicherheit

Von Lukas Bittner

Gastkommentare
Lukas Bittner hat Politikwissenschaft studiert und ist Mitarbeiter in der Abteilung Militärstrategie im Bundesministerium für Landesverteidigung.

Die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU - mehr als die "EU-Armee".


Wenn über die europäische Sicherheitspolitik diskutiert wird, taucht ein Begriff in den österreichischen Medien auf: die "EU-Armee". Für die einen ist das eine dringende Vision in einem gemeinsamen Europa, für die anderen ein Schreckgespenst und Ausdruck eines überbordenden europäischen Zentralismus. Damit stellt die österreichische Debatte zur Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) der EU allerdings eine unzulässige Reduktion dar, welche die eigentlichen Entwicklungen auf europäischer Ebene gar nicht berücksichtigt.

Dort hat sich in den vergangenen Jahren erstaunlich viel im Bereich der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik getan. Viele neue Initiativen wurden gestartet, und erstmals in der Geschichte der EU werden auch Verteidigungsprojekte durch EU-Mittel mitfinanziert. Die Mehrheit dieser Initiativen hat in der breiten Öffentlichkeit kaum Aufmerksamkeit erzielt. Sie verstecken sich hinter sperrigen Namen, und oftmals werden nur die englischen Abkürzungen benutzt, etwa bei der Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit (PESCO) oder dem Europäischen Verteidigungsfonds (EDF). Damit sind sie ein kaum fassbares, fernes und abstraktes Gebilde, dass durch eine gesichtslose Bürokratie in Brüssel forciert wird. Ganz nach Fred Sinowatz: "Ich weiß schon, meine Damen und Herren, das alles ist sehr kompliziert . . ."

Dabei ist diese Diskussion gar nicht so technisch und kompliziert. Es geht um grundsätzliche Fragen: Welche Form der Sicherheit muss die EU in Zukunft bieten? Und welche globale Rolle soll sie spielen? Diese Fragen stehen heute auf europäischer Ebene auf der Agenda, beginnend mit der Europäischen Interventionsinitiative des französischen Präsidenten oder der Neustrukturierung und Aufwertung der GSVP durch die mögliche Einrichtung eines eigenen Generalsekretariats "Verteidigung" in der EU-Kommission.

Mit der Formierung der neuen EU-Kommission ist daher ein Momentum vorhanden. Welche sicherheits- und verteidigungspolitischen Schwerpunkte wird sie setzen? Was verstehen wir unter "strategischer Autonomie"? Autonomie wovon? Wofür? Wozu? Was verstehen wir unter einem "prinzipiengesteuerten Pragmatismus" gegenüber unseren Nachbarn? Sicherheit auf Kosten der Demokratie? Europa muss eine gemeinsame strategische Kultur aufbauen, in der gemeinsame strategische Ziele diskutiert und beschlossen werden. Nur auf Basis gemeinsamer Ziele kann auch über die richtigen Instrumente diskutiert werden. Für Österreich besteht jetzt die Chance, ernsthaft und glaubwürdig über Inhalte, nicht nur über politische "Buzz-Words" wie eine "EU-Armee" zu diskutieren.

Damit ein Flugzeug fliegt, braucht es einen Antrieb. Ausschließlich über eine "EU-Armee" zu diskutieren ist,, als ob man ausschließlich darüber diskutiert, wie dieser Antrieb aussehen soll und wer ihn bezahlt, statt darüber, wohin die Reise gehen soll. Wir müssen darüber diskutieren, welche Ziele wir in der GSVP erreichen wollen, dann können wir uns über die richtigen Instrumente Gedanken machen. Es liegt an uns, ob Österreich mitgestaltet oder als grummelnder Passagier hinten sitzt.

Lukas Bittner hat Politikwissenschaft studiert und ist Mitarbeiter in der Abteilung Militärstrategie im Bundesministerium für Landesverteidigung.