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Gerechtigkeit durch Steuern

Von Gerhard Kohlmaier

Gastkommentare
Gerhard Kohlmaier ist AHS-Lehrer für Philosophie und Deutsch in Wien.

Mit Zaudern in der Steuerfrage ist für die SPÖ kein Staat zu machen und erst recht keine Wahl zu gewinnen.


Es ist nichts Neues, dass sich die SPÖ mit der Forderung nach neuen Steuern schwertut. Vermögensbesteuerung, Finanztransaktionssteuer, Besteuerung der Wertschöpfung etc. prallten nicht nur am langjährigen Koalitionspartner ÖVP ab, sie fanden wohl auch nie Anklang bei den Wählern. Letzteres scheint auf den ersten Blick verständlich, denn wer zahlt schon gerne Steuern? Allerdings nur auf den ersten Blick, denn der Staat benötigt Steuereinnahmen, um seinen Aufgaben nachzukommen, sei es im Bereich der Bildung, der öffentlichen Infrastruktur, im Pensions-, Gesundheits- und Sozialsystem. Fehlt es in diesen Bereichen an Einnahmen, dann steigen die Selbstbehalte gerade für jene Bürger, die sich diese Steigerung nicht leisten können. Für Vermögende sind Krankheitskosten, Altersvorsorge, Bildungskosten und Ähnliches in der Regel kein Problem, für die überwiegende Mehrheit der Lohnabhängigen jedoch sehr wohl.

Ein zweiter, wesentlicher Aspekt des Steuersystems ist die Verteilung der Steuerlast. Sie sollte je nach Einkommen und Vermögen gestaffelt erfolgen, wobei Geringverdiener in einem sozialen Staat geschont werden sollten, höhere Einkommensbezieher und Vermögende hingegen können mehr zum Staatswohl beitragen. Das ist bei Lohneinkommen im Wesentlichen der Fall, allerdings werden ärmere Haushalte laut einer aktuellen Wifo-Studie überproportional durch indirekte Steuern, zum Beispiel durch die Mehrwertsteuer, belastet.

Anders sieht die Sache jedoch beim Steueraufkommen aus Vermögen und Unternehmensgewinnen aus. Während das oberste 1 Prozent rund 40 Prozent des Gesamtvermögens besitzt, entfallen auf die ärmere Hälfte nur 2,5 Prozent. Trotzdem liegt Österreich mit einer Vermögenssteuerquote von etwa 1,3 Prozent nahezu am Schlusslicht aller OECD-Staaten, wo alleine der Durchschnitt der Vermögensbesteuerung 5,6 Prozent am Gesamtsteueraufkommen ausmacht.

Auch die Unternehmen tragen immer weniger zum Gemeinwohl bei. Während die Beschäftigten 80 Prozent aller Steuern in Österreich zahlen, tragen Unternehmen trotz steigender Gewinne gerade einmal 20 Prozent dazu bei. Der höchste Steuersatz der Körperschaftssteuer lag 1972 noch bei 55 Prozent, derzeit beträgt er 25 Prozent, die alte türkis-blaue Regierung wollte den Tarif noch weiter auf 20 Prozent senken.

Selbst die EU-Kommission kritisiert im aktuellen Länderbericht sowohl das Vorhaben einer weiteren Senkung der Körperschaftssteuer als auch die geringe Vermögensbesteuerung und empfiehlt der österreichischen Regierung, durch eine deutliche Anhebung der Vermögens- und Erbschaftssteuer eine größere Umverteilung von oben nach unten. Laut EU-Kommission liegt das Einkommenspotenzial bei der Vermögensbesteuerung je nach Gestaltung zwischen 2,7 und 6,3 Milliarden Euro.

Aber SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner wich selbst jüngst im "ZiB2"-Interview zunächst auf Armin Wolfs Frage nach der Anhebung einer gerechteren Erbschafts- und Vermögensbesteuerung auf die Besteuerung großer internationaler Online-Konzerne aus, bevor sie - erst nach mehrmaligem Nachfragen des Moderators - eine mehr als vage Andeutung in diese Richtung machte. Sie spricht lieber von einer "Reichensteuer", die ihrer Ansicht nach eine halbe Milliarde Euro einbringen sollte.

Die SPÖ und ihre alte Funktionärsschicht können in der so wichtigen Steuerfrage aus mehreren Gründen nicht punkten. Einerseits haben sie selbst über Jahrzehnte einen gewichtigen Anteil daran, dass diese Ungleichheit überhaupt erst entstehen konnte, andererseits haben sie es sträflich vernachlässigt, in der öffentlichen Diskussion dafür Sorge zu tragen, dass die Bevölkerung die Problematik versteht. Das Zaudern in dieser Frage ist somit systembedingt und kann letztlich auch noch bewirken, dass wichtige Teile der SPÖ-Klientel den letzten Funken Vertrauen in diese Partei und ihre Vorsitzende verlieren.