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Zentralbank-Sozialismus statt Marktwirtschaft

Von Christian Ortner

Gastkommentare

Die Politik der EZB enteignet nicht nur Sparer, sondern unterminiert auch die Fundamente unseres Wohlstandes.


Dass die Nullzins-Politik der Europäischen Zentralbank (EZB) die Sparer massiv enteignet, weil die Inflation ihre Guthaben aufzehrt wie eine hungrige Mäusefamilie den Käsevorrat, dürfte sich mittlerweile einigermaßen herumgesprochen haben. Und diese Enteignung wird in Zukunft eher noch an Tempo zulegen, wenn die EZB ihre Andeutungen Wirklichkeit werden lässt, die Leitzinsen deutlich unter Null zu drücken. Die Banken werden das dann wohl über Minus-Zinsen oder entsprechende "Gebühren" an die Sparer weitereichen. Soweit die schlechte Nachricht.

Die noch schlechtere: Dass sich bald nur mehr ältere Zeitgenossen daran erinnern werden, was "Zinsen" sind, enteignet nicht nur die Sparer, sondern unterminiert das tragende Fundament unseres materiellen Wohlstandes, nämlich Marktwirtschaft, Wettbewerb und Innovation. Denn der Zinssatz hat unter normalen Bedingungen eine ganz wichtige Signalfunktion, die für das Funktionieren des Marktes enorm wichtig ist. Bei künstlich auf Null oder noch darunter gedrückten Zinsen gibt es dieses Signal nicht mehr; Kredite fließen auch in unrentable Projekte und Unternehmungen oder Sparer werden zu unvernünftigem Über-Konsum genötigt, Banken und Unternehmen, die mangels Profitabilität aus dem Markt ausscheiden müssten, können sich mit dem Gratis-Geld künstlich am Leben erhalten und mutieren zu Zombie-Banken und Zombie-Firmen.

Letztlich wird damit der für eine Marktwirtschaft lebenswichtigen Auslese der tüchtigeren und effizienteren Unternehmen ein künstlicher Riegel vorgeschoben. Sinkende Effizienz und chronische Stagnation sind die Konsequenzen. Der Markt wird immer weiter gelähmt. Er wird aber auch durch andere Folgen der Nullzinspolitik unterminiert.

Schon jetzt hält die EZB bis zu 30 Prozent der Staatsanleihen ihrer Mitgliedsländer, in Zukunft wird sie weitere Staats- und Unternehmensanleihen aufkaufen; und schon ist die Rede davon, dass sie auch in großem Stil Aktien aufkaufen könnte. De facto würde damit ein nicht-privater, eng an die Politik geknüpfter staatsnaher Akteur wie die EZB mehr Macht und Einfluss bekommen, als es einer Marktwirtschaft angemessen ist.

Schrittweise und von einer breiteren Öffentlichkeit kaum wahrgenommen schubst die EZB die ihr anvertrauten Volkswirtschaften der Euro-Zone in Richtung auf einen Notenbank-Sozialismus, wo dann möglicherweise in einem nächsten Schritt Staaten direkt mit frisch gedrucktem Geld der Notenbank finanziert werden. Die Geschichte lehrt uns zwar drastisch, wie so etwas ausgeht, aber das hindert Scharlatane überhaupt nicht, es wieder einmal zu probieren.

All das ist keine gottgewollte Naturkatastrophe, sondern politisch verursacht. Denn verabschiedete sich die EZB vom bisherigen Nullzins-Kurs, stünden die besonders hoch verschuldeten Euro-Staaten Frankreich, Spanien, Italien und Griechenland am Rande des Bankrotts, und der Euro damit wohl vor dem Ableben. Damit ist freilich ein Teufelskreis geschaffen, aus dem niemand einen Ausweg kennt. Denn die Gewissheit, auf längere Sicht Schulden extrem günstig aufnehmen zu können, führt natürlich gerade in den überschuldeten Staaten dazu, eher weiter zu wursteln, als endlich schmerzhafte Umbauarbeiten durchzuführen. Auf lange Sicht wird dieses Ausschalten der Marktregeln wohl noch mehr Schaden anrichten als die Enteignung der Sparer.