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24. April 1983 - 23. November 1986: Von Rot-Blau zu Rot-Schwarz

Von Peter Pelinka

Gastkommentare
Peter Pelinka ist freier Journalist und Gesellschafter der Medientrainingsfirma "intomedia".
© privat

Sinowatz wollte das Kanzleramt nie - er war froh, 1986 an Vranitzky übergeben zu können. Dieser begann eine lange Koalition mit der ÖVP.


Am 24. April 1983 blieb die SPÖ mit mehr als 47 Prozent zwar stärkste Partei, verfehlte aber die absolute Mehrheit um zwei Sitze. Noch einmal stellte Kreisky die Weichen - zu einer Koalition mit der FPÖ, wo 1980 der liberal auftretende Norbert Steger den Deutschnationalen Alexander Götz abgelöst hatte. Fred Sinowatz selbst wäre lieber in der zweiten Reihe geblieben und schlug noch am Wahlabend Leopold Gratz als Kanzler vor - vergeblich.

Die dreijährige Amtszeit des Kabinettes Sinowatz/Steger war von zahlreichen Problemen überschattet: Der Konflikt zwischen Kreisky und CA-Generaldirektor Hannes Androsch wurde immer schärfer. Nachdem Finanzminister Salcher eine Sachverhaltsdarstellung über mögliche Steuerhinterziehungen von Androsch bei Gericht deponiert hatte, wurde er im Herbst 1984 durch Länderbank Generaldirektor Franz Vranitzky ersetzt. Dazu kam der blaue Dauerkonflikt: Jörg Haider, FPÖ-Obmann in Kärnten, ließ keine Gelegenheit aus, Steger zu kritisieren.

Dann explodierte ein neuer Wertekonflikt, jener zwischen "Ökologie" und "Ökonomie": Im Dezember 1984 kam es nach der Besetzung der Donauau bei Hainburg durch Gegner des geplanten Kraftwerks zu Konfrontationen mit Gewerkschaftern. Sinowatz verfügte über Weihnachten den Baustopp und eine Verhandlungsphase. Aber: Günther Nenning, Chef der Journalistengewerkschaft und ein Wortführer der Aubesetzer, wurde aus der SPÖ ausgeschlossen; er fungierte dann als ein Geburtshelfer der neu formierten Grünen.

Schließlich wurden enorme Verluste im Bereich der Verstaatlichten Industrie bekannt. Die internationale Stahlkrise hatte auch sie voll getroffen, kurzfristige Gewinne versprechende Ölspekulationen waren nicht erfolgreich, die Verstaatlichte Industrie hatte als zentrales Instrument des "österreichischen Weges" ausgedient.

Am folgenschwersten erwies sich aber die Affäre um Kurt Waldheim, der 1986 zum zweiten Mal nach 1971 als ÖVP-Präsidentschaftskandidat nominiert wurde. Am 4. Mai erhielt er im ersten Wahlgang 49,6 Prozent der Stimmen, SPÖ-Kandidat Kurt Steyrer 43,7, im zweiten Wahlgang am 8. Juni siegte Waldheim mit 53,9 Prozent.

Diesem ersten großen konservativen Sieg seit 1970 war ein wahrlich historischer Wahlkampf vorausgegangen. Anfang März 1986 berichteten US-Zeitungen über angebliche NS-Verstrickungen Waldheims. Insbesondere über jene Lebensphase "eines der bestinformierten Abwehr- Offiziere der deutschen Wehrmacht am Balkan" (so Waldheim-Biograph Hanspeter Born), die Waldheim in seinen Angaben ausgeklammert hatte. Seine Beteiligung an Kriegsverbrechen wurde nie nachgewiesen, es blieb aber das Faktum bestehen, dass er seine Vergangenheit "geschönt" hatte. Die heftige Debatte darüber und über das 1987 gegen Waldheim erlassene Einreiseverbot für die USA ("watch list") demonstrierte, wie stark in Österreich nach 1945 grundsätzlichere Auseinandersetzungen mit der NS- Zeit verdrängt worden waren.

Sinowatz wurde für die "Kampagne" gegen Waldheim verantwortlich gemacht, er trat nach dessen Wahl als Kanzler zurück und schlug Vranitzky als Nachfolger vor. Der führte die Koalition mit Steger nur noch drei Monate fort. Denn: Am
9. September 1986 wurde der Vizekanzler bei einem FPÖ-Parteitag durch Haider und seine Anhänger gestürzt. Von der Pressetribüne aus nahm ich die Ereignisse fassungslos wahr: "Sieg Heil"-Rufe, stolz zur Schau getragene NS-Devotionalien, schließlich Triumphator Haider, der von Kärntner Gesinnungsfreunden geschultert wurde. Der auf dem Parteitag mit einer Herzattacke zusammengebrochene Generalsekretär Walter Grabher-Meyer trat aus der Partei aus, ebenso die Gattin Stegers, der als "Jud" beschimpft und mit dem Vergasen bedroht worden war. Die im Kern deutschnational-rechtsradikale Parteibasis hatte sich gegen die nur schwach verankerte liberalere Parteielite durchgesetzt. Die Folge: Vranitzky löste die rot-blaue Koalition auf, mit Haiders Zickzackkurs schienen ihm die Geschäftsgrundlagen dafür nicht mehr gegeben.

Am 23. November 1986 rettete Vranitzky nach einem auf seine Person als "mutiger Erneuerer" zugeschnittenen Wahlkampf die angeschlagenen Sozialdemokraten. Bis zu seiner Inthronisierung war die ÖVP erstmals seit 1970 in Umfragen in Führung gelegen, am Wahlabend aber errang die SPÖ mit 43,1 Prozent 80 Mandate, die ÖVP mit 41,3 Prozent 77.

ÖVP-Chef Alois Mock war die Enttäuschung auch gesundheitlich anzusehen, ganz erholte er sich nie mehr davon. Seine informellen Versuche, eine Koalition mit der FPÖ zu bilden, fruchteten (noch) nichts, Österreich wurde wieder wie bis 1966 von einer Koalition der "Großen" regiert, erstmals unter "roter" Führung.

Peter Pelinka ist
freier Journalist und Gesellschafter der Medientrainingsfirma "intomedia".