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Die Bildungspolitik nicht bei jeder Wahl neu erfinden

Von Simon Lechner

Gastkommentare
© ANDI BRUCKNER

Österreichs Schulen benötigen dringend ruhige und gelassene Entscheidungen und ehrlichen finanziellen Willen.


Der Satz "Neu ist immer besser!" beschreibt den Zeitgeist trefflich. Diesen Spruch könnte man aber auch der Schul- und Bildungspolitik der vergangenen eineinhalb Jahrzehnte zuschreiben, denn aus Sicht der Lehrpersonen folgte eine Neuerung der nächsten. Diese Beschleunigung ist für Nichtpädagogen oft unsichtbar, da auch tiefgreifende Systemwechsel in der öffentlichen Wahrnehmung maximal für eine Randnotiz in den Medien reichen.

Österreich hatte neben dem Modell der dualen Ausbildung von Fachkräften stets eine Vorrangstellung gegenüber anderen Regionen der Erde, indem es eine hochwertige Allgemeinbildung für alle sicherstellte. Diese befähigt die Schüler zu einem souveränen Meistern des Lebens, geistiger Flexibilität und dynamischen Wissensstrukturen als Voraussetzung zur Spezialisierung. Der AHS-Langform kommt in der Vermittlung von Allgemeinbildung eine besondere und schützenswerte Rolle in unserem Schulsystem zu. Die aktuellen Entwicklungen wie die Kompetenzraster in Lehrplänen und die standardisierte Matura müssen immer das bildungsmäßige Fundament der Heranwachsenden für ein reflektiertes Leben im Blick haben. Möglichkeiten für vernetztes Denken zu schaffen, muss das Ziel der aktuell laufenden Lehrplanreform sein. Dafür müssen die vorhandenen Lehrpläne über Fächergrenzen hinweg abgestimmt werden, um den jungen Menschen die verschiedenen Blickwinkel der unterschiedlichen Disziplinen vernetzt näherbringen zu können. Sind die Synergien verschiedener Gegenstände gefunden, ohne den einzelnen Fächern ihre Eigenständigkeit zu nehmen, und einhergehend strukturelle Rahmenbedingungen für die Koordination der Lehrkräfte ausgebaut, können unsere Jungen wieder aus dem Vollen schöpfen.

Mit Beginn dieses Schuljahres beginnt in den NMS und der AHS-Unterstufe das neue Schulfach "Digitale Grundbildung". Der Lehrplan sieht vor, sowohl die Möglichkeiten und Grenzen der EDV als auch die damit verbundenen Gefahren aufzuzeigen. Auf die Vermittlung eines anfänglichen Verständnisses und die Fertigkeit der grundlegenden Nutzung digitaler Hilfsmittel wurde in den Vorgaben nicht vergessen - eine hervorragende bildungspolitische Maßnahme.

Der Haken dabei ist, dass an AHS-Unterstufen keine zusätzlichen finanziellen Mittel hiefür bereitgestellt werden. Die Lehrerschaft ist zu einer integrativen Behandlung der Themen in ihrer ohnehin schon knappen Unterrichtszeit angehalten. Die schon einige Jahre zurückliegende Entwicklung dieses Schulfachs wird also ohne zusätzliche Finanzierung wie allzu oft in den Schubladen verschwinden.

Die vergangene Regierung zeigte den Willen zur konsequenten Einführung eines Fachs "Ethik" für jene Schüler, die sich vom konfessionellen Religionsunterricht abgemeldet haben. Auch Kindern und Jugendlichen, die nicht den für viele schützenswerten Religionsunterricht besuchen, wurde durch das Aufbringen ausreichender Mittel der Zugang zu einer aufgeklärten Wertebildung ermöglicht. Die nächste Regierung wird auch daran zu messen sein, ob sie eine eigenständige Lehramtsausbildung zum Unterrichtsfach "Ethik" etablieren kann.

Simon Lechner ist Lehrer am Gymnasium Kollegium Kalksburg, Kandidat zur Personalvertretung der AHS-Lehrer in Wien und Koordinator der Arbeitsgruppe "Schulpolitik" des Mittelschüler-Kartell-Verbands.