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Das Auto wird sich wandeln

Von Kurt Baier

Gastkommentare

Neue Verkehrskonzepte werden andere Fahrzeuge nötig machen. Europa ist hier im Rückstand.


Einige haben es schon entdeckt: Mit dem Laptop kann man auf einer Reise zu einem Meeting im Zug arbeiten und ist im Gegensatz zu autotreuen Kollegen bestens vorbereitet. Wenn wir weiterhin fliegen, sollten wir zumindest die besonders schmutzigen Kurzstreckenflüge zu den großen Flugdrehkreuzen wie Frankfurt oder Wien vermeiden. Man kann auch mit der Bahn anreisen, ganz ohne Komfortverlust.

Ganz anders im täglichen Pendelverkehr: Da braucht man mit Zug und Bus oft bis zu dreimal länger. Bei der Wahl zwischen beispielsweise 40 Minuten oder 1,5 Stunden gewinnt das Auto, und daran wird auch ein Klimaticket, sei es noch so billig, nichts ändern. Politiker versprechen einen Ausbau der Pendlerstrecken. Aber in den Städten ist kein Platz für zusätzliche Pendlerautos. London reagierte mit einer Citymaut. Zunehmend überschreitet der Autoverkehr in den großen Städten die auf EU-Ebene vereinbarten Luftschadstoff-Grenzwerte. So werden wir bald über das Verbot von Verbrennungsmotoren in den Städten diskutieren.

Für den Umstieg auf die Öffis ist ein zuverlässiger Viertelstundentakt erforderlich, um Wartezeiten zu minimieren. Dazu ist rund um die Städte ein Ausbau der Bahnstrecken auf vier Gleise erforderlich, um einen Nahverkehr neben dem Fernverkehr zu ermöglichen. Die ÖBB haben sich dies zum Ziel gesetzt. Um wirklich rasch voranzukommen, müsste die Politik Geld aus dem Straßenbau zur Bahn umleiten. Doch ein Umlenken gefährdet Wahlergebnisse, so versenkt man weiterhin Geld in den Ausbau der Pendlerstraßen, die bei einem neuen Verkehrskonzept in 20 Jahren niemand mehr benötigen wird.

Autoindustrie in der Krise

Die Verbindung aus den weitverstreuten Siedlungen zur schnellen Bahn wird weiterhin nur mit dem Auto möglich sein. Brauchen wir dazu wirklich große SUVs oder genügen kleine fahrbare Regenmäntel? Parkplätze werden an den Bahnstationen notwendig werden. Hier wären kleinere Autos von Vorteil. Autonome Autos können nach Hause zurückkehren und nach den Eltern die Kinder transportieren. Klingt noch unvorstellbar, aber die Technik ist von solchen Lösungen nicht mehr weit entfernt.

Wie sind die Autokonzerne für diese Zukunft gerüstet? Aktuell ist die weltweite Stückzahl der abgesetzten Autos um 5 Prozent gesunken. Mit SUVs, die für das Klima kontraproduktiv sind, konnten die meisten Hersteller ihre Umsätze noch steigern. Doch "die Autoindustrie steckt in einer Absatz- und Gewinnkrise, die derzeit noch in erster Linie konjunkturell bedingt ist", beobachtet Gerhard Schwartz vom Wirtschaftsberater EY Österreich. "Alle großen Absatzmärkte schrumpfen - das führt zu einem stärkeren Preisdruck und zu rückläufigen Margen. Hinzu kommen hohe Investitionen in Bereichen wie Autonomes Fahren und Elektromobilität." Wenn die Autohersteller mit Sparen und Aussitzen reagieren, ist es um sie selbst und um unsere E-Mobilität schlecht bestellt.

In Europa fehlt zu allererst eine Akkuproduktion. Es fehlen die chemischen Vorprodukte. Die europäischen Chemiekonzerne haben es bis heute nicht gewagt, in diese Produktion einzusteigen. Ihre Aktivität beschränkt sich darauf, ein Wasserstoffauto zu versprechen. Auf der anderen Seite produzieren die Autokonzerne nicht mehr selbst, sie schrauben nur zusammen. Somit sehen sie es auch nicht als ihre Aufgabe, in die Akkuproduktion einzusteigen. Man begnügt sich bisher mit kleinen Lieferkontingenten aus Asien. Wobei Südkorea, Japan und China verständlicherweise kein Interesse haben, europäischen E-Autos auf die Sprünge zu helfen.

Es gibt Unternehmen, die sich für die Zukunft rüsten. Zum Beispiel entwickelte die Voest selbstklebende Bleche für Rotor- und Statorpakete in hocheffizienten E-Motoren. Kleben statt Schrauben ermöglicht kostengünstigere und effizientere Motorkonstruktionen. Im globalen Wettbewerb liegt dieses Voest-Blech mit seiner elektromagnetischen Qualität ganz vorn. Auch der heimische Gleitlagerhersteller Miba ist mit Produktionsanlagen für Elektromotor-Statoren sowie intelligenten Kühllösungen für Akkus und Leistungselektronik in E-Autos gut aufgestellt. Der deutsche Getriebehersteller ZF hat seine neue Automatikgetriebeserie mit der Einbaumöglichkeit eines E-Motors für Hybridautos vorbereitet.

E-Lösungen in der Schublade

Glaubt man den Pressemeldungen, haben die Autokonstrukteure E-Lösungen für die gesamte Autopalette bereits in der Schublade, und zwar vom kleinen fahrbaren Regenmantel bis zum Lieferwagen. Wenn Akkus noch knapp und teuer sind, kann man quer zur unsinnigen Reichweitendiskussion mit Plug-in-Hybriden eine Übergangslösung anbieten, die zumindest einmal den Stadtverkehr, den Weg zur Arbeit und die Fahrt zum Supermarkt elektrisch bewältigt. Es fehlt nur noch eine Akkuproduktion in Europa. Hier dürfen die Autohersteller nicht mehr warten, sie müssen selbst und am besten gemeinsam eine Akkuproduktion starten. Zögert man in Europa noch länger, wird Asien gewinnen.

Damit die Wende im Verkehr wirklich gelingt, ist neben der E-Mobilität auch der Ausbau von Parkplätzen an außerstädtischen Bahnstationen unerlässlich. Parkhäuser in St. Pölten, Wels oder Linz, wie sie aktuell gebaut werden, ziehen die Anreise zur Bahn zeitraubend und luftbelastend in die überfüllten Städte. Stattdessen sind schnell erreichbare Parkplätze an neuen Bahnstationen außerhalb der Städte die deutlich bessere Wahl. Die Park&Ride-Bahnstation Tullnerfeld zum Beispiel hat bereits zu wenig Parkplätze und zeigt damit, dass solche Lösungen von den Pendlern angenommen werden. Kann man dort auch ein kleines Elektroauto aufladen, ist dieses in Kombination mit der Bahn eine konkurrenzfähige Alternative für Pendler. Und mit den vielen kleinen Akkus an einen Ort versammelt, erhält die Stromversorgung einen großen regelbaren Speicher für die Überschüsse aus Wind und Sonne.