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Auch Standorte brauchen Netzwerke

Von David Ungar-Klein

Gastkommentare

Die standortrelevanten Infrastrukturen stehen vor einer digitalen Revolution - reagieren ist dabei zu wenig.


Innovationskraft und ihre Umsetzung bestimmen zunehmend über Wachstum und Wohlstand der Zukunft. Der internationale Innovationswettbewerb nimmt zu. Neue Player wie China bestimmten das Bild und die Innovationsdynamik. Die Digitalisierung zieht tiefgreifende Umwälzungen in Wirtschaft und Gesellschaft nach sich. Die standortrelevanten Infrastrukturen stehen vor einer digitalen Revolution. Neueste repräsentative Erhebungen für den "Österreichischen Infrastrukturreport 2020" zeigen etwa, dass Österreichs Manager auf die Frage "Welche der drei zentralen Herausforderungen unserer Zeit hat den größten Einfluss auf die Standort-Infrastruktur von morgen?" eine klare Antwort haben: 52 Prozent nennen den digitalen Wandel als entscheidend, nur 33 Prozent den Klimawandel und 13 Prozent den demografischen Wandel. Die Digitalisierung verändert alles.

Die Sensibilität der Entscheidungsträger in der Wirtschaft für die grundlegenden Veränderungen und Herausforderungen für den Standort ist hoch. Den richtigen Einschätzungen müssen standortpolitische Taten folgen. Wer nur reagiert und nicht agiert, verliert in unserer vernetzten Welt. Das gilt nicht nur für die klassische Standortpolitik mit ihren harten und weichen Standortfaktoren - von der Steuerbelastung bis zur Lebensqualität. Das Pflichtprogramm ist insgesamt zu wenig, um Standorte erfolgreich zu stärken und international reüssierend zu positionieren. Eine besondere Herausforderung für Standorte liegt in unserem vernetzten Wirtschafts- und Innovationsgeschehen darin, intelligente, strategisch fundierte Netzwerkpolitik in eigener Sache zu betreiben.

Das Netzwerk-Erfolgsprinzip "Create real connections" gilt heute nicht nur für Personen, Unternehmen und Institutionen. Es gilt auch für Städte, Regionen und ganze Standorte. Denn sie sind im besonderen Maß darauf angewiesen, in einem harten internationalen Wettbewerb die besten Verbindungen und Netzwerke für ihre Zukunft zu haben. Es sind eben nicht nur die internationalen Standort-Rankings, die entscheiden, wo sich Investoren niederlassen. Es sind nicht nur attraktive Ansiedelungsprogramme, die Standortentwicklung ermöglichen. Und es sind nicht nur formelle Kontakte, die Standorte für Unternehmen und Institutionen interessant machen. Es sind vielmehr konkrete Positionierungen von Städten, Regionen und Standorten jenseits klassischer Markenstrategien ("Nation Branding") gegenüber relevanten Zielgruppen und Entscheidungsträgern.

Hochglanzbroschüren und Werbevideos allein reichen nicht

Diese Positionierungen sind für Standorte wie Österreich oder Regionen wie Wien von großer Bedeutung. Sie sind aber auch ein wichtiges Thema für aufstrebende Regionen und Länder, die ihre Zukunft in der Europäischen Union sehen. Oder für Standorte, die europäische Institutionen ansiedeln wollen. Mit Hochglanzbroschüren und Werbevideos allein kommt kein Standort weiter. Wer "real connections" für Städte, Regionen und Standorte knüpfen will, muss viele unterschiedliche Handlungsfelder bespielen und dort überzeugen. Ein Beispiel dafür ist die Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Wirtschaft, die für die Entwicklung von Standorten und Regionen im internationalen Kontext immer wichtiger wird. Standorte, die sich in diesem Bereich international positionieren und "persönlich" vernetzen können, haben im Wettbewerb um Investitionen und Innovationen klare Vorteile.

Wo wirtschaftliche Dynamik mit Schlüsseltechnologien wie Künstlicher Intelligenz, Mikro- und Nanotechnologie, Biotechnologie, optischen Technologien, Medizintechnik, neuen Werkstoffen, automatisierter Mobilität, 5G, Produktionstechnologien oder technologieorientierten Dienstleistungen zusammentrifft und von Entscheidungsträgern ge- und erlebt werden kann, ist die standortpolitische Zukunft daheim. Sichtbarkeit und persönliche Vernetzung im internationalen Umfeld zählen zu den bedeutendsten Herausforderungen der Standortpolitik.

Entscheidend für die Standortpolitik ist es daher, standortpolitischen Qualitäten im Rahmen einer Positionierungs- und Lobbying-Strategie auszuspielen - und die entscheidenden Zielgruppen und Stakeholder darin zu involvieren. Eine beispielhafte Initiative zur Entwicklung realer Netzwerke für Standort und Entscheidungsträger ist der "Wiener Kongress". Jedes Jahr im Jänner kommen Meinungsführer und Entscheidungsträger aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur und Medien im Rahmen von Österreichs renommiertem internationalen Standortkongresses in Wien zusammen, um ein strategisches "Zwölf-Punkte-Prioritätenprogramm für Europa" zu erarbeiten. Die mitwirkenden Nobelpreisträger, internationalen und nationalen Politiker und Experten formulieren darin klare Grundsätze und Leitlinien für politische Entscheidungsträger in der Weiterentwicklung des europäischen Projektes.

Die aktuelle Agenda sieht als zentrale Kriterien für die Kräftigung des Innovationsstandortes vor, sich verstärkt an den internationalen Erfolgsstrategien im Innovationsbereich zu orientieren, aber auch mehr öffentliche Gelder in Bildung, Forschung und Entwicklung zu investieren und den Unterricht von Naturwissenschaften für alle zu ermöglichen, beginnend im Kindergarten. Die hochkarätigen Teilnehmer und Visionäre aus aller Welt bleiben dazu in der Regel mehrere Tage in Wien und absolvieren ein attraktives Vernetzungsprogramm mit österreichischen Entscheidungsträgern aus Wirtschaft und Politik.

Die Erfahrung dieses sowie anderer Formate zeigt, dass eine strategische Vernetzungsleistung zunehmend geschätzt und nachgefragt wird. Denn so werden in jeder Hinsicht reale Verbindungen geschaffen, die helfen, Standorte, Regionen und die Stadt Wien mit ihrer Zukunft zu verbinden und damit Österreich mit all seinen Vorzügen international ins Schaufenster zu stellen.

Gerade in unserer Social-Media-dominierten Welt gilt: Es sind mehr denn je die echten, tragfähigen Verbindungen, die im Zeitalter der Soziale-Netzwerke-Gesellschaft den Unterschied machen. Sie entstehen nicht von selbst, sie entwickeln sich nicht spontan. Sie brauchen strategisch fundierte Ansätze, die auf fundierter Analyse und besonderen Kontakten beruhen. Davon profitieren nicht nur politische Entscheidungsträger aus Politik und Wirtschaft, sondern auch Institutionen und Standorte. Auch Standorte brauchen klug geknüpfte Netzwerke, damit sie angesichts der digitalen Innovationsdynamik vorne sein beziehungsweise vorne bleiben können.