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Die Not der Rohingya ist größer denn je

Von Beatrice Lau

Gastkommentare

Seit zwei Jahren sind 900.000 Rohingya in Bangladesch zum Nichtstun verdammt. Eine Rückkehr der offiziell Staatenlosen in ihr Heimatland Myanmar ist derzeit undenkbar.


Auch nach zwei Jahren zeichnet sich noch immer keine Lösung für die seit Jahrzehnten schwerste Flüchtlingskrise des asiatischen Kontinents ab. Alleine in Bangladesch leben 900.000 Vertriebene, unter ihnen 759.000, die vor einer im August 2017 begonnenen Gewaltaktion des myanmarischen Militärs im Staat Rakhine geflohen sind. Hunderttausende waren in Folge früherer Gewaltausbrüche zuvor nach Indonesien, Thailand und Malaysia sowie Indien und andere Länder aufgebrochen.

Als medizinisch-humanitäre Organisation, die Rohingya in Malaysia, Myanmar und Bangladesch versorgt, ist Ärzte ohne Grenzen Zeuge des täglichen Existenzkampfes, denen sie ausgesetzt sind. In Bangladesch und Malaysia haben Rohingya keinen Flüchtlingsstatus und sind auf eine vorübergehende Aufenthaltsbewilligung angewiesen. In ihrem Herkunftsland Myanmar wird ihnen die Staatsbürgerschaft verweigert, sie werden dort als Ausländer behandelt. Ihre Staatenlosigkeit macht die Rohingya so verletzlich.

In Malaysia behandelt Ärzte ohne Grenzen Rohingya, die bei Arbeitsunfällen schwer verletzt wurden, aber aus Angst, der Einwanderungsbehörde gemeldet zu werden, kein öffentliches Krankenhaus aufsuchen. In Bangladesch leben die Rohingya in armseligen Lagern, unfähig, sich durch Ausbildung oder Arbeit eine Zukunft aufzubauen. Die Hilfsbereitschaft der örtlichen Bevölkerung nimmt ab, die Rechte der Flüchtlinge in den Lagern werden mehr und mehr beschränkt. So bleibt ihnen der eigenständige Zugang zu öffentlichen Gesundheitseinrichtungen verwehrt. Obwohl der Bedarf hoch ist, mangelt es an Angeboten für Menschen mit psychischen Krankheiten und für Opfer von sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt. Die Überweisung durch eine humanitäre Organisation wie Ärzte ohne Grenzen ist für Flüchtlinge in Cox’s Basar die einzige Möglichkeit, Zugang zum Gesundheitssystem zu erhalten.

Zehntausende sind vor neuen Kämpfen in Myanmar geflohen

Rohingya in Bangladesch und Malaysia erzählen von einem Leben in der Warteschleife. Sie erzählen, dass sie von einer Rückkehr träumen, aber derzeit keine Möglichkeit eines besseren Lebens in ihrer Heimat sehen. In Myanmar verschärft sich die Situation indes weiter. Seit Jänner haben die Kämpfe zwischen dem Militär und der Arakanischen Armee, einer aufständischen Gruppe der Rakhine, zugenommen und Zehntausende zur Flucht gezwungen. Diese neue Welle der Gewalt betrifft alle Gemeinschaften. In Zentral- und Nordrakhine wurden eine Ausgangssperre verhängt und die humanitäre Hilfe eingeschränkt.

Rund 550.000 bis 600.000 Rohingya, die sich noch im Staat Rakhine befinden, sind zusätzlichen Diskriminierungen ausgesetzt. Ihr Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen wie der Gesundheitsversorgung ist eingeschränkt. Im Norden des Landes müssen Rohingya auf dem Weg in ein Krankenhaus Polizeikontrollstellen passieren. Neben bürokratischen Hürden wird dort auch Bestechungsgeld verlangt. Im Landesinnern hingegen werden nach Gewaltausbrüchen seit sieben Jahren mehr als 128.000 Rohingya und Kaman (eine weitere muslimische Minderheit) in Flüchtlingslagern festgehalten. Rohingya können eine Gesundheitseinrichtung nicht alleine aufsuchen. Ärzte ohne Grenzen muss sie unter Polizeibegleitung ins Krankenhaus bringen, wo sie in einer gesonderten Station untergebracht werden.

Dieser Tage treffen sich Staats- und Regierungschefs der südostasiatischen Länder im Rahmen der UN-Generalversammlung. Der Verband südostasiatischer Nationen (Asean) hat als einer der Akteure Einfluss auf die Regierung von Myanmar. Er muss sie auffordern, Schritte zur Beendigung des Kreises aus Gewalt, Diskriminierung und Verfolgung zu setzen, der die Rohingya zur Flucht gezwungen hat. Andernfalls wird diese Tragödie weitergehen.